Weine mit Heimat: der Boden

Bearbeiteter, tonhaltiger Boden mit Rebstöcken in der Mancha

Bearbeiteter, tonhaltiger Boden mit Rebstöcken in der Mancha

Mit kaum einem Wort wurde in der Werbung für Wein mehr Schindluder getrieben als mit dem französischen „terroir“. Ich gebe zu der Faszination dieses schwammigen Begriffes auch schon mehr als einmal erlegen gewesen zu sein. In „Langenscheidts Handwörterbuch Französisch“ erfährt man, dass seine Bedeutung eigentlich „Boden, Scholle oder Erdreich“ ist und im übertragenen Sinne auch „Heimat“ bedeuten kann. Also steht der Boden an erster Stelle und es ist einsichtig, dass sich die Wurzeln des Rebstocks alles was sie zum Überleben brauchen aus dem Boden bzw. der Erde holen – und das ist, wie könnte es anders sein? – außerordentlich komplex. Komplex insbesondere deshalb, weil es so unendlich viele verschiedene Bodenarten gibt und weil es für den Weinmacher außerordentlich schwierig ist durch eine präzise Auswahl des jeweiligen Bodens die Qualität und Charakteristik eines Weines vorauszusagen. Ebenso hat selbst der geübte Weintrinker Probleme mit der Zuordnung eines bestimmten Geschmacks zu einem bestimmten Boden. Allerdings gibt es manchmal Weine, die einen ausgeprägten „Bodenton“ haben, der manchmal sogar als unangenehm unsauber empfunden wird, aber keinem spezifischen Boden zugerechnet werden kann.

Böden für Reben müssen für Wasser durchlässig und gut zu entwässern sein, d.h. sie müssen leicht sein, ausreichend Mineralien und organische Nährstoffe enthalten. Der Boden eines Rebgartens soll auch Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren sein, Würmer Insekten Bakterien und Pilze lockern den Boden zusätzlich auf und generieren Nährstoffe für die Pflanze. Es gibt einige Regelmäßigkeiten bei der Bodenbeschaffenheit, die den Charakter eines Weines mitbestimmen können. So bringen Schieferböden meist feine und vielschichtige Weine hervor während auf vulkanischen Böden füllige, runde und feurige Weine entstehen. Demgegenüber entstehen auf Lehm substantielle Weine mit hohem Extraktstoffgehalt. Steinige Böden betonen die Frucht und sind bei Sandbeimengungen eher leicht, bei schwerem Boden deutlich voller. Dies sind allerdings nur vage Anhaltspunkte, da es unendlich viele Mischformen von Böden gibt. Eine bestimmte Rebsorte auch Präferenzen haben und auf den einen Böden besser gedeihen und sortentypischere Weine ergeben als auf anderen. Zudem sollte man berücksichtigen, dass Rebstöcke sehr tief in den Boden eindringen können (20 Meter sind keine Seltenheit) und dass man häufig nur sehr wenig über die wirkliche geologische Situation in dieser Tiefe weiß. Was letztlich die Eignung eines Bodens für den Rebbau ausmacht ist nicht genau bekannt. Die einen Weinmacher sind der Ansicht, dass die Mineralität (z. B. Löß, Granit, Buntsandstein, Ton oder Kalk) für den Charakter eines Weines ausschlaggebend ist, während andere Weinmacher eher die Struktur des Bodens, das Bodengefüge, für die Qualität eines Weines verantwortlich machen. Für beide Sichtweisen gibt es gute Beispiele aus den verschiedenen Weinbauregionen dieser Welt.

Letztlich scheint man immer wieder auf den abgedroschenen Begriff des „terroir“ zurückkommen zu müssen um die Vielfalt der Faktoren, die die Qualität und den Charakter eines Weines ausmachen, adäquat beschreiben zu können. Ich denke, dass wir auf deutsch tatsächlich auch „Heimat“ sagen könnten, denn ein guter Wein hat immer eine Heimat: den Weinmacher, die Rebgärten und ihre Umgebung, das spezifische Klima und auch die Kellerei mit ihren technischen Einrichtungen. Analog zum „soul-factor“ sollten wir vielleicht sogar von einer beseelten Heimat sprechen, aus der die besonders guten Weine kommen.

 

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