Soul-Faktor: ein Parameter der Weinkritik?

Die Sicht auf die Seele verändert sich wie die die Wolken-Formationen.

Die Sicht auf die Seele eines Weins ist veränderbar wie  Wolken-Formationen.

Vor einiger Zeit habe ich mich an dieser Stelle über den geringen Lustgewinn bei Blindproben ausgelassen. Jetzt ist mir eine Weinklassifizierung  von Hendrik Thoma aufgefallen, die sehr gut meinen Widerwillen gegen derartige Veranstaltungen erklärt. Alles hängt nämlich mit den individuellen Vorlieben des Weintrinkers zusammen und diese werden wiederum bestimmt durch unendlich viele, scheinbare Nebensächlichkeiten. Uns allen geläufig gehören dazu die Variationen der Tageszeit, des Klimas, der sozialen Situation und der begleitenden Gaumenreize wie das Essen zu dem der Wein genossen wird.

Für Thoma verfügen Weine, die ihn emotional berühren und ihm eine Geschichte erzählen können, über den von ihm sog. „Soul-Faktor“ und dieser ist wiederum quantifizierbar. Seine Benotung reicht von „unterirdisch, nicht zu empfehlen, da er teilweise fehlerhaft oder sogar schlecht verarbeitet ist, keine Soul“ über „trinkbar und zuverlässig. Ein gut gemachter Wein der Spaß macht, hat Soul“ bis hin zu „großartiger Stoff, eindeutige Spitzenqualität, muss man getrunken haben, reichlich Soul im Glas“ bis hin zu den „Weltklasse-Weinen, die 100 % Soul im Glas haben“.

Ich befürchte allerdings, dass die „Soul-Klassifizierung“ auch nur wieder so eine Manie der Schulmeister ist, alles benoten und damit miteinander vergleichbar zu machen. Wer würde sich denn erdreisten und die Seele eines Menschen zu bewerten? Für mich ist gerade das der Charme des „Soul-Faktors“, dass er das denkbar subjektivste Merkmal eines Weines ist und vom Genießer entweder erkannt wird, oder auch nicht. Wenn Hendrik Thoma einem Wein einen hohen Soul-Faktor zugesteht muss Robert Parker dies noch lange nicht tun – und in dieser Diskrepanz liegt u. a. auch das große Geheimnis des Weins begründet.

 

 

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