Es ist noch gar nicht so lange her, da haben viele Weinfreunde den Tempranillo als eine rustikale Rebsorte aus dem Norden Spaniens etwas verächtlich betrachtet. Schuld daran war u. a. der intensive Holzgebrauch spanischer Winzer, deren Weine mehr nach Eiche als nach einer spezifischen Traubensorte schmeckten. Ich erinnere mich noch sehr genau an viele deutsche Weinkritiker, die in den 80-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts Rioja-Weine lapidar als „Eichensäfte“ abtaten. Seither hat sich unendlich viel getan: neben der Einführung kontrollierter Gärverfahren hatten die Weinmacher der neuen Generation gelernt mit dem Barrique umzugehen und plötzlich nahm man die intensive Frucht des Tempranillo als ein Aromenstrauß von Waldbeeren, zarten Tabaktönen mit Anklängen an Leder und vegetalen Noten wahr. Der unverwechselbare Charakter des Tempranillo hatte einen großen Anteil am Siegeszug spanischer Weine in der ganzen Welt..
Kein Wunder also, dass man sich auch in anderen Weinbauregionen rings um den Erdball mit dem Tempranillo beschäftigt hat. Naheliegend war es natürlich, dass man sich in Portugal der Rebsorte annahm. Dort gab es sie ja bereits aus früheren Zeiten unter den Namen „Tinta Roriz“ im Douro-Tal bzw. „Aragonés“ im Alentejo. Mittlerweile sind diese beiden Tempranillo-Varianten zu Qualitätsgaranten für portugiesische Weine geworden. In Südfrankreich, im Languedoc wird ebenfalls schon lange Tempranillo angebaut, in den letzten Jahren ist er dort allerdings im Verschwinden begriffen. Neu dagegen sind Tempranillorebgärten in der Pfalz. Auch in der Neuen Welt gibt es viel Interesse an dem großen Spanier: Australien, Argentinien und Kalifornien verfügen über entsprechende Pflanzungen.
Alle Tempranillo-Weine, die ich in anderen Ländern probieren konnte waren von eher durchschnittlicher Qualität – ausgenommen in Portugal –und das hat mich mit der Frage konfrontiert warum das so ist? Ich hatte Glück, denn bei einer Pressekonferenz traf ich kürzlich den Journalistenfreund David Schwarzwälder und den spanischen Weinmacher Angel Anocíbar Beloqui von Abadia de Retuerta, und wir kamen gemeinsam zu dem Schluß, daß der Temperanillo für die volle Ausprägung seines Charakters ein semiarides Klima benötigt, was er in der für ihn richtigen Ausprägung nur in Spanien hat. Das Charakteristikum eines semiariden (vom lateinischen „aridus“ = trocken) Klimas liegt in der starken Wasserverdunstung, die in der Summe die Niederschläge übertrifft. „Semiaride“ bedeutet, dass dieses Klima nicht das ganze Jahr über anhält sondern nur etwa sechs Monate. Niedrige Luftfeuchtigkeit und s. g. „Salzpfannen“ (d.h. Seen ohne Abfluß, span. = lagunas) sind das äußere, fühl- und sichtbare Kennzeichen dieser Wetterbedingungen. Kein Wunder, dass auch innerhalb Spaniens die besten Tempranillos aus diesen „trockenen“ Kontinetalklima- Regionen stammen.