Eine Flamenco-Nacht in Almeria

José Mercé und Tomatito  (http://josemerceoficial.es)

Von Westen nach Almeria kommend  fährt man kurz vor der Ausfahrt in die Stadt an einem Ort vorbei, von dem aus man einen großartigen Blick hat auf die ausladende Meeresbucht, die Schiffe und die weiße Stadt, in deren Mitte sich die alte arabische Burg rostfarben schimmernd erhebt. Dem Musikfreund kommen unweigerlich die Töne von Isaac Albeniz´ facettenreichem Klavierstück „Almeria“ aus der „Iberia“-Suite in den Sinn. Maurische Seufzer sowie die Takte eines lokalen Taranto (Flamenco-Tanz) mit seinen charakteristischen Rhythmen und Tönen. Es ist ein eindringliches Stück in dem das akustische Glitzern des Meeres in der Abendsonne schönster Ausdruck impressionistischer Musik ist. Die Stadt selbst macht dagegen eher einen etwas tristen und herabgekommenen Eindruck: geschlossene Geschäfte, unbewohnte Häuser und wenig Touristen selbst im Hochsommer, lassen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der ganzen Region erahnen.

Hier in der Arena, in der sonst die Welt der Tauromachie herrscht, fand am 19. Juli 2019 ein denkwürdiges Konzert des Flamenco-Sängers José Mercé zusammen mit dem Gitarristen Tomatito statt. Tomatito, sein bürgerlicher Name ist José Fernández Torres, begleitete lange Jahre den mythischen Camarón de la Isla, bis zu dessen Tod. Immer wieder hat er dann mit den Größen seiner Zunft gespielt und sich dabei zu einem der Pioniere des „flamenco nuevo“ entwickelt. Dieser „moderne“ Flamenco-Stil zeichnet sich  dadurch aus, dass er eine Verschmelzung von anderen musikalischen Elementen und neuartigen Musikinstrumenten mit dem klassischen Flamenco, der ursprünglich nur aus Gesang- und Gitarrenmusik bestand, vorgenommen hat. Die zusätzlichen Elemente können Jazz, lateinamerikanische Tänze oder Rock und Blues sein. Bekannte Vertreter dieser musikalischen Richtung sind z.B. Paco de Lucia, Miguel Poveda oder Pata Negra. Tomatitos bisher größter Erfolg dürften die Alben „Spain“ und „Spain Forever“ gewesen sein, die er zusammen mit dem Komponisten Michel Camilo aufgenommen und damit in Las Vegas sechs „Latin Grammy Awards “ gewonnen hat.

Auch der Stil des José Mercé kann dem „flamenco nuevo“ zugerechnet werden, obwohl er sich gelegentlich auf die alte Tradition des „cante jondo“ besinnt und herzzerreißende, tief bewegende  Lieder in dieser Art singt. Er  kommt, wie Tomatito, aus einer Flamenco-Dynastie und ist seit seiner Kindheit mit der andalusischen Musik vertraut. Sein Künstlername stammt von seiner Beteiligung als kleiner  Junge im Chor der „Basilica de la Merced“ (merced = Gnade) in Jerez de la Frontera. Im Laufe seiner Karriere hat er mehrfach mit Künstlern wie Antonio Gades und dem Filmemacher Carlos Saura zusmmengearbeitet. Eines seiner neuesten Projekte ist die Kooperation mit dem „Partiture Philarmonic Orchestra“, und dem Dirigenten Juan Paulo Gómez, die in der Bearbeitung und in der Wiedergabe einiger seiner berühmtesten Stücke mit Begleitung eines großen klassischen Orchesters besteht. Ähnlich wie Tomatito ist auch José Mercé mit vielen nationalen und internationalen Auszeichnungen geehrt worden.

Der gemeinsame Auftritt von Tomatito und José Mercé  in Almeria war eine akustische und sinnliche Herausforderung. Im sehnsuchtsvoll klagenden cante jondo des Sängers sowie den arabesken und virtuosen Tönen der Gitarre verbarg sich die alte Zigeuner-Seele des Flamenco. Dieses Erlebnis ging unter die Haut! Je weiter der Abend fortschritt desto weiter entfernten sich die beiden Künstler von der iberischen Tradition und Klänge der Neuen Welt erreichten das Ohr. Es war sehr schön, aber Manches geriet dann doch ein wenig zu sehr in die Nähe des musikalischen Kommerzes. Da waren die Gitarren-Solos von Tomatito immer wieder großartige Einlagen, die vom kundigen Publikum auch entsprechend gefeiert wurden.

Wer mit Albeniz in den Ohren zur nächtlichen Flamenco-Session in die Stierkampf-Arena von Almeria kam, mag gespürt haben, dass die Flameco-Musik nicht aus ihrer kompositorischen Technik heraus lebt sondern im Grunde ausschließlich Gefühle ausdrückt. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass der Zuhörer sich öffnen muss um in die mitgeteilte Emotionalität eintauchen zu können, d.h. er muss seine Hemmungen verlieren sich dem hinzugeben. Dies fällt aber vielen unvorbereiteten Besuchern schwer und so ist es nur verständlich, dass man bei derartigen Freiluft-Veranstaltungen während der ganzen Zeit der Darbietungen Alkoholika, u.a. auch frischen Manzanilla-Sherry, kaufen und trinken kann. Und nicht nur Ausländer drängten sich vor diesen Verkaufsständen!

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