Für die gesamte Natur, einschließlich des Menschen, ist die Verfügbarkeit von Wasser die Voraussetzung für Leben. Die Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung des Wassers hat seit Beginn der denkenden Menschheit zu Erklärungsversuchen über das Wesen des Wassers geführt. Anfänglich waren es die Mythen von im Wasser lebenden Geistern, die dem wissbegierigen Menschen die Einsicht in die Natur der vermeintlich magischen Flüssigkeit gaben, später, in der naturwissenschaftlichen Epoche, war es die chemische Forschung, die uns über die Zusammensetzung des Wassers aufklärte. Mit diesem Wissen leben wir auch heute und anstelle von Nymphen und Göttern in Unterwasserpalästen reden wir von Atomen und Molekülen,
Salzen, Gasen und komplizierten chemischen Verbindungen, aus denen das Wasser besteht, bzw. die in ihm gelöst sein können. Der griechische Philosoph Thales von Milet nahm an, dass Wasser der Urstoff der Welt und alles andere nur jeweils eine andere Erscheinungsform des Wassers sei. Aristotiles, der Urvater unserer Philosophen, hat Wasser unter die vier Elemente neben Feuer, Erde und Luft gestellt; aus ihnen sollte die Welt gebaut sein. Undine und Poseidon oder Neptun, einst im Wasser lebende Wesen, bzw. Götter, sind schon längst tot und weitgehend vergessen und in den Bereich der Legenden und Sagen verbannt worden. Während im Mittelalter und den späteren Jahrhunderten das heiße Feuer mit männlichen Eigenschaften belegt wurde, war das kühle Wasser der weibliche Gegenpart. Die Tatsache, dass das Wasser das Feuer löscht, ist unter diesem mythologischen Aspekt auch heute noch bemerkens- und nachdenkenswert.
Bereits früh im Leben lernen die Kinder, dass Wasser eine Flüssigkeit ist, die aus Sauerstoff und Wasserstoff besteht, völlig klar, d.h. farblos, ist und weder Geschmack noch Geruch hat. Wenn wir ein Getränk oder eine Soße als „wässerig“ bezeichnen, meinen wir, dass sie dünnflüssig ist und/oder weder riecht noch schmeckt. Wasser wird im kollektiven Bewusstsein als Inbegriff des Puren und Reinen angesehen. „Kein Wässerchen trüben können“ bedeutet im übertragenen Sinn, dass jemand harmlos ist, weil trüb und schmutzig gemachtes Wasser als abstoßend und unangenehm empfunden wird. Wasser hat die großartige Eigenschaft viele Stoffe lösen zu können. Man denke z. B. an den Zucker im Kaffee, das Salz in der Suppe oder die Kohlensäure in der Limonade. Im Wasser gelöste Stoffe können zu einer sehr signifikanten Veränderung seiner Eigenschaften führen: sowohl im positiven, wie auch im negativen Sinne. Neben Duftwässern und dem Bouquet von gutem Wein können auch weniger appetitliche, modrige bis faule Gerüche, z. B. solche von verfaulten und verdorbenen organischen Materialien auftreten und ein erster Indikator für schlechte Wasserqualität sein.
Jeder Naturfreund hat es irgendwann schon einmal erlebt: Wasser riecht trotz aller theoretischen Lehrbuchchemie irgendwie nach Wasser! Auf dem Weg durch eine Landschaft erreichen uns gelegentlich Düfte, die vermuten lassen, dass wir nahe an einem Gewässer sind. Natürlich erkennt unsere Nase nur die gelösten Stoffe im Wasser, allen voran die Eisenverbindungen. Eisen ist nämlich mit etwa 6 % das zweithäufigste Metall der Kruste unserer Erde und kann in allen Böden und Steinen dieser Welt vorkommen. Wenn sich Eisenverbindungen im Wasser lösen, was durch saure Böden und saures Grundwasser noch gefördert wird, entsteht ein ganz typischer Duft. Durch verschiedene chemische und physikalische Prozesse gelangen diese Eisenverbindungen dann in das Wasser von Seen und Flüssen. Dies ist u.a. der Grund für den typischen „Eisengeruch“ des Wassers. Es ist ein leicht metallischer Duft, der an den Geruch von Blut, dessen rote Blutkörperchen ebenfalls viel Eisenverbindungen enthalten, erinnert. Die besondere Empfindlichkeit der menschlichen Nase für diesen Duft mag einen entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund haben, der einstige Sammler und Jäger konnte in grauer Vorzeit über seinen Geruchssinn die verwundete Jagdbeute oder den verletzten Kameraden orten. Ganz unprosaisch kann man den Geruch als „rostig“, vom Eisenoxyd stammend, bezeichnen.
Das Meer duftet völlig anders als Binnengewässer und der Grund dafür scheint folgender zu sein: Kieselalgen und anderes Plankton produzieren eine Substanz namens DMSP (Dimethylsulfoniopropionat). Beim Zelltod wird dieses DMSP durch Bakterien zu DMS (Dimethylsulfid) abgebaut und dieses ist eine flüchtige Substanz, die in der menschlichen Nase den typischen Meeresgeruch hervorruft. Auch Jod aus dem „Seetang“, einer Mischung aus verschiedenen Braunalgen hat einen sehr charakteristischen, leicht stechenden Geruch, der unweigerlich an Meer erinnert.
In der Tierwelt muss die Erkennung von Wasser und seinen Quellen eine große Rolle spielen. Zugvögel und Wandertiere bedürfen biologischer Signale, die sie zum Wasser leiten. Dies kann, wie beim Menschen, über die aufgezeigten Mechanismen des Geruchs gelöster Substanzen funktionieren. Auch von im Wasser lebenden Tieren und Pflanzen produzierte Pheromone können die durstigen Reisenden bzw. Wanderer der Tierwelt zum Wasser leiten. Weinfreunde erkennen in manchen Weißweinen eine frische Meeresbrise und in manchem Rotwein die Jod ähnlichen Noten der Meeresalgen.
Mir gefällt das Thema außerordentlich gut und ich wünschte mir, dass sich mehr sinnlich kompetente Autoren mit dem Duft des Wassers beschäftigen würden. Was für den Duft des Wassers gilt, gilt für den Geschmack gleichermaßen und erklärt vielleicht die Geschmacksfülle, die gutes Wasser in Wein und andere Getränke bringen kann. Schöner Artikel!m