Dem erfahrenen Weintrinker ist die Kennzeichnung des Alkoholgehaltes auf dem Etikett ziemlich egal, denn er weiß meistens sehr genau wann es für ihn persönlich genug ist – insbesondere wenn er noch Autofahren will. Leider geht es anderen, meist jüngeren und unerfahreneren Weinfreunden ganz anders. Sie lesen immer wieder, dass für Männer der tägliche Konsum von nur 24 Gramm und für Frauen von nur 12 Gramm Alkohol gesundheitlich risikoarm seien. Alles darüber hinaus sei schädlich für den Körper. Diese Zahlen basieren angeblich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen sagt die deutsche „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“. In Italien wird für Männer eine Spanne von täglich 24 bis 36 Gramm Reinalkohol von den entsprechenden Behörden empfohlen und in Spanien liegen die Zahlen sogar noch höher, nämlich bei 30 bis 70 Gramm pro Tag. Sind die Lebern spanischer Weinfreunde besser trainiert, oder ist die Wissenschaft auf der Iberischen Halbinsel eine andere? Die unterschiedlichen nationalen Empfehlungen reflektieren die enorme biologische Variationsbreite bei der Alkoholtoleranz, die nicht nur zwischen den Gesellschaften sondern auch in jeder einzelnen Gesellschaft existiert.
Also ist es wichtig, dass sich der passionierte Weinfreund – oder auch Biertrinker – selbst auf ein Alkoholtrinkverhalten einstellt, welches im weitesten Sinne seiner persönlichen Verträglichkeit und Toleranz entspricht. Dazu ist die Kenntnis des genauen Alkoholgehalts in der Menge des zu sich genommenen Getränks dringend notwendig. Im Internet finden sich zahlreiche „Promillerechner“, die den Anteil reinen Alkohols, gemessen in Gramm, in die zu erwartenden Promille im Blut errechnen. Wenn man aus den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben des Prozentsatzes im Volumen (Vol.-%) auf dem Etikett des jeweiligen Getränks die konsumierten Gramm reinen Alkohols errechnen möchte, bedarf es einer etwas komplexeren Kalkulation. Wie einfach könnte es doch sein, wenn auf den Etiketten nicht die Vol.-% sondern die Gramm pro Liter Alkohol vermerkt wären! Als Zusatzleistung könnten dann sogar die Gramm pro Dosis, z.B die einer kleineren Flasche oder eines 0,2 l-Glases, angegeben werden. Das klingt so einfach, aber der Amtsschimmel wiehert und findet zahlreiche Argumente, warum das nicht geht, bzw. warum dies vermeintlich gar nicht sinnvoll sei.
Gernot Rücker, Leiter der Klinik und Poliklinik für Anästesiologie und Intensivmedizin an der Universitätsklinik Rostock, hat sich dies Thema auf die Fahnen geschrieben. Rücker beschäftigt sich wissenschaftlich seit vielen Jahren mit dem Konsum und den Intoxikationen von psychoaktiven Substanzen auf Großveranstaltungen. Immerhin hat er es geschafft, dass sich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, die CSU-Politikerin Marlene Mortler, bereits mit der Kennzeichnungsthematik von Alkoholika beschäftigt hat. Die Reaktion der Getränkeindustrie, vorgebracht vom Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie, ist allerdings eher abweisend. Man verweist auf bereits bestehende und rechtlich vorgeschriebene Informationen, die ausreichend seien und die volle Aufklärung des Sachverhaltes gewährleisteten. Kurzum, man scheut Kosten und Aufwand, die keinen Mehrumsatz bringen. Wie oft scheitern gute Ideen nicht an der Trägheit derer die sie umsetzen könnten!