Immer wieder fallen Weinfreunde in unendlich lange Diskussionen über die Geruchs- und Geschmackseigenschaften eines Weins und jeder, der eine neue Nuance im Objekt der Begierde erschmeckt oder erriecht kommt sich wie ein wahrer Entdecker vor. Mehr als ein nettes Gesellschaftsspiel ist dies aber nicht, denn die Güte eines Weins hängt nicht von erspürten Brombeer-, Himbeer- und Kirsch-Tönen oder von Nuancen von Tabak, Thymian, Rosmarin oder Schokolade ab sondern eher von übergreifenden Eigenschaften. Warum müssen wir überhaupt über Wein reden? Reicht es nicht zu sagen „der schmeckt aber gut (oder noch schlimmer: er schmeckt lecker)!“ Nein und nochmals nein! Das ist nicht genug. Wir brauchen eine Sprache, die uns erklärt was wir sinnlich beim Genießen eines bestimmten Weins erleben um die Freude daran mit Gleichgesinnten teilen zu können. Dabei sind detaillierte Geschmäcker und Gerüche eher nebensächlich, zumal sie auch noch sehr subjektiv sind da sie immer aus dem Erfahrungsschatz des Beurteilers kommen. Wer nicht weiß wie blühender Ginster riecht, kann mit einem Hinweis auf diesen Geruch im Bukett eines Weins überhaupt nichts anfangen.
Der renommierte Weinkritiker Matt Kramer hat in seinem „Wine Spectator-Blog“ kürzlich diese Thematik in einem Artikel zusammengefasst (How to Really Taste Wine. The six most important words in wine tasting. 18. Dezember 2012). Er hat sich auf sechs Begriffe festgelegt, die, seiner Meinung nach, in einer Weinbeschreibung behandelt werden sollten: Komplexität, Struktur, Dichte am Gaumen, Ausgewogenheit, Finesse und Gleichgewicht
Komplexität ist mehr als nur Vielschichtigkeit. Bei komplexen Weinen entdecken wir bei jedem Schluck eine neue Eigenschaft oder eine neue Dimension. Das Geschmackserlebnis ist nicht voraussehbar, daher werden komplexe Weine nie langweilig und überraschen uns wieder und wieder.
Die Struktur ist gleichsam das Gewebe, der Stoff auf dem der Weins aufbaut. Der Stoff kann dünn und durchsichtig sein oder aber voll und schwer. Die Struktur bestimmt auch die Lebensdauer eines Weines, zu ihr gehört beim Rotwein u.a. auch die Qualität der Tannine.
Die Dichte am Gaumen ist das was man als sensorischen Kern des Weins bezeichnen könnte. Ein Wein kann durchaus strahlen und dennoch schwach sein, wenn ihm das dichte Zentrum im Geschmack fehlt; er erweckt dann keine weiteren sensorischen Erwartungen, bleibt spannungslos.
Die Ausgewogenheit beschreibt die Form des Weins. Er muss harmonisch sein, die Komponenten müssen zueinander passen, Fehltöne gehören nicht dazu. Ausgewogenheit erhalten manche Weine erst während des Alterungsprozesses. Ecken und Kanten, so schön sie machmal sein können, gehören sicher nicht dazu.
Finesse ist jene Eigenschaft, die vielleicht am schwersten zu beschreiben ist. Sie hat etwas mit Eleganz zu tun und gibt dem Wein eine gewisse Leichtigkeit, die beim Genießen Freude bereitet. Filigran ist vielleicht das Strukturmerkmal – aber ohne dünn und durchsichtig zu sein. Weine die „satt“ machen besitzen meist wenig Finesse.
Das Gleichgewicht beschreibt das Verhältnis von Frucht zu Säure oder bei Süßweinen auch die Ralation von Süße zur Säure. Ein Wein sollte niemals „fettig“ oder „klebrig“ sein. Das gleiche gilt für den Alkohol: er muss in einem guten Verhältnis zu den Extrakten und der Frucht im Wein stehen und selbst nicht wahrnehmbar sein.
Ich bitte Herrn Kramer um Verzeihung, dass ich ihn zwar zitiert, mich aber nicht an seine wörtlichen Definitionsvorgaben gehalten habe. Im Großen und Ganzen finde ich seine Parameter, die zur Weinbeschreibung ausreichen sollten, sehr akzeptabel und werde auch selbst in Zukunft versuchen diese in diesem „blog“ und anderswo umzusetzen.