Es war ein ca 1,3 Meter hohes Beton-Ei in einem versteckten Winkel der Kellerei von Chateaux Calon Segur was sich auf einer Reise in die Region von Bordeaux 2011 in mein Gedächtnis gebrannt hat. Man experimentiere damit, lautete die lapidare Erklärung des Gastgebers. Dass man in solchen 600-Liter-Behältnissen Wein machen konnte hörte ich damals zum ersten Mal. Mittlerweile habe ich sogar schon in Betoneiern ausgebaute Weine getrunken und genossen. Man gab mir zu verstehen, dass der Werkstoff Beton einige physikalische Ähnlichkeiten mit dem Eichenholz der Barriques habe, allerdings ohne Holzgeschmack abzugeben. Die feinen Poren erlaubten eine kontrollierte Sauerstoffzufuhr während des Ausbaus und der Reifung sowohl von Weiß- als auch von Rotweinen. Die Temperaturverhältnisse innerhalb des Eies bewahrten die Primärfrucht des Mostes und leicht zu reinigen seien sie, im Gegensatz zu den kleinen Holzfässern, auch. Im Übrigen nähere sich die Form des Eis dem ästhetischen Idealmaß, wie es im sog. „goldenen Schnitt“ festgelegt sei, und schon deshalb müsse es das perfekte Weinbehältnis sein.
Von wirklichen Nachteilen des Werkstoffes Beton hörte man erstaunlicherweise fast gar nichts. Dabei ist Beton ein komplexer Stoff, der sich aus Kalkstein, Ton, Mergel, Sand und Kies zusammensetzt. Entscheidend ist bei alldem der Zement, der die Gesteinsbestandteile verbindet und hart werden lässt. Nachdem das vorher gebrannte Gemisch zu einem Gesteinsmehl vermahlen ist, wird es, ggf. nach Zugabe weiterer „Zuschlagstoffe“ im Betonmischer mit Wasser versetzt und in die gewünschte Form gegossen.
Nicht immer ist Beton gleich Beton. Die Mischung bestimmt ganz wesentlich die Eigenschaften des Materials. Verschiedene Rezepturen können ganz unterschiedliche Betonarten ergeben. Es ist unschwer vorstellbar, dass sich die speziellen Eigenschaften von Beton für die Weinbereitung und -reifung komplett von denen anderer industrieller Anwendungen unterscheiden. Die Gärung und Lagerung von Wein in Betontanks hat im europäischen Weinbau Tradition, allerdings waren die großen Behälter am Beginn des 20ten Jahrhunderts immer mit Kunstharz oder Glas ausgekleidet um den Wein nicht in Kontakt mit dem Beton zu bringen. Das Calciumkarbonat des Betons hätte zu einem kontinuierlichen Abfall der Weinsäure durch die erhebliche Weinsteinbildung geführt. Die heutigen Betoneier, die keine Auskleidung mehr haben, muss man entsprechend vorbehandeln. Und trotzdem, Wein reagiert chemisch mit dem Beton und unerwünschte Verbindungen können sich im Wein lösen und Geschmacksbeeinträchtigungen verursachen. Auch mineralische Noten können von der inneren Oberfläche des Eis in den Wein übertreten – was, wie beim barrique-Ausbau, einer Art Aromatisierung entspräche. Die Wiederbelebung der alten Ton-Amphoren für die Weinreifung hat einen ähnlichen Hintergrund. Für die Hersteller von Betoneiern ergibt sich hier ein weites Feld für innovative Forschung und Entwicklung. Ob die neuen Betoneier für die Weinmacher das „Ei des Kolumbus“ werden, bleibt allerdings abzuwarten
Zum Abschluss dieses kurzen Exkurses sei mir eine Bemerkung gestattet. In den letzten Jahren haben wir eine Vielzahl von Innovationen im Weinbau und in der Weinbereitung erlebt und mir scheint, dass dahinter gelegentlich eine beinahe krampfhafte Suche nach Eigenständigkeit und Individualität steht. Sich abgrenzen von den Produkten der Konkurrenz, anders und bloß kein „mainstream“ sein, ist die Devise um sich in einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb der Supermärkte und Weinhändler behaupten zu können. Wie lange macht das der Konsument noch mit und zahlt dafür?