Ich bin ein großer Freund der engen Verbindung von Wein mit der Musik, aber „Weinlieder“ haben für mich immer etwas furchtbar Banales und Biederes an sich. Meist versuchen sie den Rausch zu entschuldigen und zu legitimieren und grenzen in ihrer Anzüglichkeit oft an die Zote. Natürlich gehören Liebe und Wein ganz eng zusammen und – wie jeder Weinfreund weiß – der Wein selbst kann mitunter das Erotischste auf der Welt sein. Aber in den Niederungen des Alltagsdurstes hat der Wein eigentlich nichts zu suchen. Da geht es ja leider häufig nur ums Besaufen. Der Traum „Wenn das Wasser im Rhein goldener Wein wäre…“ drückt es auf deprimierende Weise aus: der nie endende Rausch soll den Spießgesellen das Leben erträglicher machen. Und dann gröhlen sie an Wochenenden ihre Lieder um sich gegenseitig Lebensmut zu machen. Kein Wunder, dass mir diese Gesänge unsympathisch sind. Die einzige, mir bisher bekannte, explizite Huldigung an den Wein in Gesangsform, die mir über alle Maßen gut gefällt, ist das Lied von Richard Strauss mit dem Titel „Heimliche Aufforderung“.
Auf, hebe die funkelnde Schale empor zum Mund,
Und trinke beim Freudenmahle dein Herz gesund.
Und wenn du sie hebst, so winke mir heimlich zu,
Dann lächle ich und dann trinke ich still wie du…
Und still gleich mir betrachte um uns das Heer
Der trunknen Schwätzer — verachte sie nicht zu sehr.
Nein, hebe die blinkende Schale, gefüllt mit Wein,
Und laß beim lärmenden Mahle sie glücklich sein.
Doch hast du das Mahl genossen, den Durst gestillt,
Dann verlasse der lauten Genossen festfreudiges Bild,
Und wandle hinaus in den Garten zum Rosenstrauch,
Dort will ich dich dann erwarten nach altem Brauch,
Und will an die Brust dir sinken, eh du’s erhofft,
Und deine Küsse trinken, wie ehmals oft,
Und flechten in deine Haare der Rose Pracht.
O komme, du wunderbare, ersehnte Nacht.
Der Text von John Henry Mackay (1864-1933) gehört sicher nicht zu den Höhepunkten der deutschsprachigen Poesie, aber er hat Richard Strauss inspiriert und dessen Musik würde ich im Gegenzug schlichtweg genial nennen. Die erotische Musik, die beim Erwarten am Rosenstrauch und in der Vorstellung der bevorstehenden Nacht erklingt, erzeugt selbst in meinem Alter noch Gänsehaut. Nirgenswo kann man schöner demonstriert bekommen, daß Musik völlig unabhängig vom Wort tiefe Emotionen und Leidenschaften ausdrücken kann. Mit welchem Wein hat Strauss wohl sein Herz gesund getrunken? Den würde ich auch gerne haben! Der erotischste Wein, den ich mir im Augenblick vorstellen kann ist der „Calvario“ der Bodegas Allende aus der Rioja. Ihn beschreiben kann man eigentlich wirklich nur mit der erwähnten Musik von Richard Strauss.
Wirklich ganz unterschiedliche Ansätze …