Der Venenciador: ein „Torero des Sherry“ (mit Video)

Auf den ersten Blick erscheint es wie das Klischee vom spanischen Wein schlechthin: ein smarter Mann in schwarzen, enganliegenden Hosen, einem weißen Hemd und einer roten Bauchbinde, die seine schlanken Hüften betont, steht vor einer Faßreihe und schwingt die „venencia“. Mit eleganter Bewegung füllt er in gebündeltem Strahl aus dem kleinen Schöpfgefäss am langen Stil über seinen Kopf hinweg die „copitas“, die kleinen Probiergläser, die er in Hüfthöhe hält. Seine Arbeit scheint die leichteste Sache der Welt zu sein. Wenn man allerdings selbst einmal das wippende Gerät in der Hand hatte und nur ein Gläschen damit füllen wollte, hat man rasch erkannt, daß dies alles andere als banal ist. Das Schauspiel des „venenciadors“ birgt etwas Urspanisches in sich. Aus einem ansich unspektakulären Ereignis, nämlich dem Herausholen einer kleinen Probe Weines aus einem Faß, entsteht eine große Show. Die Präzisionsbewegungen mit denen die venencia benutzt wird, erinnern an einen Torero oder einen Flamencotänzer. Es ist die gleiche physische Ästetik, die er zur Schau trägt. Absolute Körperbeherrschung, gepaart mit Eleganz und dem noncharlanten Ausdruck des Könners, der durch die Gegenwart seines Publikums erst zum wirklichen Leben erweckt wird. Das Abfüllen eines Glases wird zum spannenden Ereignis, denn es entsteht der Eindruck, daß es auch mal schief gehen kann – und das wäre ein desaster!.

Die „venencia“ besteht aus einem etwa 10 Zentimeter hohem, zylindrischen Silber- oder Edelstahlgefäss (Durchmesser etwa 2 cm) an dem ein etwa 8o- bis 100 cm langer, elastischer Stil – häufig ein Walfischkochen – befestigt ist. Natürlich ist der Kult mit diesem sonderbaren Gefäß nicht nur Theater für die Touristen im Sherry-Land. Er hat seinen gut nachvollziehbaren Sinn. Auf manchen Sherry-Typen wächst nämlich im Faß eine mehr oder weniger dicke Hefeschicht („flor“ – die Blume), die beim Eintauchen der „venencia“ durch das Spundloch durchstossen werden muß. Durch die kleine rundliche Öffnung wird dann sofort das gefüllte Gefäss wieder hindurchgezogen und der ins Glas gefüllte Sherry ist vollkommen klar und frei von „flor“. Der Luftkontakt während des Füllen des Glases bewirkt eine Minioxydation des Weines, der dadurch im Duft und Geschmack komplexer wird.

Der Begriff „venencia“ leitet sich übrigens vom lateinischen „avenencia“ ab, was so viel wie „Schnäppchen“ oder „guter Handel“ bedeutet. Wie kam es zu dieser Namensgebung? Vermutlich wurde die typische „venencia“ benutzt um beim Aushandeln von Verkaufspreisen die Proben aus den Fässern zu holen, die den potentiellen Kunden vom guten Angebot des Weinhändlers überzeugen sollten.

Die Form des „venencia“-Gefässes kann sehr unterschiedlich sein, obwohl das Prinzip immer das gleiche bleibt. In Sanlúcar de Barrameda, der Heimat des Manzanilla-Sherry, findet man noch häufiger eine „venencia“, die aus einem Bambusstab oder einem Zucker- bzw. Schilfrohr in einem Stück geschnitten wurde. Am einen Ende lässt man das ausgehöhlte Rohr als Gefäss stehen, wobei sein Boden der natürliche Holzknoten ist, während man den Rest bis auf den dünnen, langen Stiel abschneidet. Schilfrohr heisst übrigens auf spanisch „caña“ und folglich hat man die kleine Portion Wein aus der „venencia“ auch „caña“ genannt. Die zylindrischen Gläser für den Manzanilla in Sanlúcar, heißen ebenfalls „caña“. Früher gab es sogar die Sitte die kleinen „cañas“ auf eine „venencia“ zu stellen, deren Gefäss durch einen Boden am Stiel ersetzt war. So bekam man den frischen Sherry direkt aus dem Faß ins Trinkglas. Noch heute bestellt man an den Bars von Sanlúcar eine „caña“ wenn man einen Manzanilla-Sherry möchte. Im restlichen Spanien hat sich der Audruck der Veränderung der allgemeinen Trinkgewohnheiten angepasst und bezeichnet mittlerweile ein kleines Glas Bier.

Ganz nebenbei bemerkt, meine Lieblingskneipe in Madrid ist die urige „Venencia“ in der Calle Ezcaray. Man glaubt sich dort in alte Zeiten zurückversetzt und bekommt wundervolle Sherries aus dem Faß ganz frisch ins Glas gefüllt. Ähnlich gute Tropfen aus Jerez de la Frontera  können Sie auch hier bestellen. Auch aus Montilla-Moriles gibt es eine Kollektion von Klassikern, die zu probieren sich lohnt!

 

 

 

 

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