Vitivoltaik: die doppelte Flächennutzung im Rebgarten

Agrivoltaik der Fa. AgriPV-Solutions GmbH, einem Pionier auf diesem Gebiet.

In den Rebgärten unserer kleinen Bodega „Los Barrancos“ in den andalusischen Alpujarras haben wir, trotz der beträchtlichen Höhenlage von 1.300 Metern, hautnah gesehen, dass die Hitzetoleranz der Weinreben beschränkt ist. Zwar mag der Weinstock die Sonne und die Wärme über alles, aber es kann auch zu viel werden und dann erhebliche Schäden und Qualitätseinbußen bewirken. Das mussten wir, trotz der Höhe, leidvoll in den letzten Sommern immer wieder erleben.  Intensive Sonnenbestrahlung führt zum klassischen Sonnenbrand, der sich zunächst in einer rötlich blauen bis rötlich braunen Verfärbung der Blätter und dann in deren Welken äußert, schlussendlich kommt es zum frühzeitigen Eintrocknen der Weinbeeren. Derartig geschädigte Trauben können nicht zur Weinbereitung herangezogen werden, da sie durch die fehlende Ausreifung zu viele grüne Töne und unreife Tannine in das Endprodukt bringen würden. Die übermäßige Wärme tut ihr Übriges, den späteren Wein zu beeinflussen: eine Veränderung in der Aromatik, ein hoher Zucker- und damit auch Alkoholgehalt und schließlich ein vermehrter Säureabbau, der den Wein fett und fade erscheinen lässt. Außerdem haben wir erfahren, wie sich der Zeitpunkt der Weinlese im vergangenen Jahrzehnt immer weiter in den Sommer verschoben hat. Einst haben wir dort im tiefen Süden Europas und hoch oben in den Bergen, in den ersten Wochen des Oktober Wein gelesen, jetzt kann es schon mal Ende August werden. Der Klimawandel schreitet scheinbar unaufhaltsam fort! Eine klassische Methode den übermäßig hohen Sommertemperaturen wenigstens etwas entgegenzusetzen, ist die Tropfbewässerung, die durch die Verdunstungskühle des Wassers einen kleinen Ausgleich schaffen kann. Dafür ist allerdings die Verfügbarkeit einer Wasserquelle Voraussetzung.

Auf der Suche nach zusätzlichen präventiven Maßnahmen bin ich auf die sog. „Vitivoltaik“ gestoßen. Darunter versteht man eine Vorgehensweise Solarstrom auf der Fläche des Weinbaus, also über den Rebgärten, zu erzeugen. Dieses Konzept hat mir sehr eingeleuchtet, denn es nutzt die Fläche zusätzlich zur Erzeugung erneuerbarer Energie und gleichzeitig bietet es durch den Schatten darunter einen signifikanten Kühlungseffekt für die Reben durch das weitgehende Abfangen der Sonneneinstrahlung. In Deutschland gibt es einzelne Pilotprojekte zu diesem Thema, am bekanntesten und am besten dokumentiert ist vielleicht das der Hochschule Geisenheim. Dort hat man tatsächlich festgestellt, dass die Blattgröße der Reben unter dem Solardach deutlich größer ist und sich die Bodenfeuchtigkeit günstiger entwickelt. Die Ernte war unter diesen Umständen um zwei Wochen verzögert, obwohl die Nachttemperaturen unter der Solaranlage teilweise um 2 °C höher als auf der Freifläche lagen. Über die Qualität des Lesegutes lässt sich im Moment noch nichts Endgültiges sagen, denn nach der Vinifikation kann es einige Zeit dauern, bis man die möglichen Fehler entdecken und beurteilen kann. Trotzdem wurde von den Projektinitiatoren das Fazit der bisherigen Aktivitäten als positiv angesehen.

In Spanien spielt naturgemäß die Solartechnik eine ganz große Rolle, denn mit über 3.000 Sonnenstunden im Jahr (2024) ist die Versorgung mit Sonnenenergie über die 12 Monate gesichert (in Deutschland zum Vergleich gab es, ebenfalls 2024, 1675 Sonnenstunden). Da auch ausreichend Land zur Verfügung ist, existieren bereits viele großflächige Solarparks in fast allen Regionen der Iberischen Halbinsel. Auch die beschriebene Nutzung der Sonnenenergie im Rahmen des für das Land wirtschaftlich sehr wichtigen Weinbaus lässt die Vitivoltaik zunehmend in das Interesse der Winzer und Weinmacher rücken.

Als „Agrivoltaik“ bezeichnet man die Kombination aus Landwirtschaft ganz allgemein mit der Photovoltaik und auf diesem Bereich liegt gegenwärtig in Spanien der Fokus in der Forschung und Entwicklung. In den riesigen Plantagen, in denen Tomaten und anderes Gemüse neben Früchten und Beeren in computergesteuerten Nährlösungen für die Haushalte in ganz Europa gezogen werden, soll der enorme Energiebedarf eines Tages mit Schatten-gebenden Solarzellen erfolgen. Hieraus wird sich mit Sicherheit auch die gleiche Anwendung in den Weinbergen ergeben, da es sich um die identische Technologie handelt.

Den potenziellen Nutzen der Vitivoltaik habe ich durchaus erkannt, allerdings sehe ich auch, dass es noch gewaltige Probleme zu lösen gibt. Abgesehen von der erforderlichen finanziellen Investition muss man in die Wirtschaftlichkeitsrechnung auch die Umsetzung der gewonnenen Energie in einen messbaren Nutzen einbeziehen. Theoretisch ist der Betrieb der Weinpresse, der Entrappungsmaschine, der Pumpen und eventuell sogar der Kühlaggregate für die Edelstahltanks und der Abfüllmaschine, neben der Elektrizität des „täglichen Bedarfs“, als Anwendung des Solarstroms denkbar. Aber wie soll dieser von den entfernten Rebgärten in die Kellerei kommen und wie soll er dort gespeichert werden? Mir scheint, dass die Integration der Vitivoltaik in den Betrieb einer Kellerei von den Ausmaßen unserer oder ähnlich großer Unternehmen das häufigste Problem bei deren zukünftiger Anwendung sein wird. Folgekonzepte sind also dringend gefragt! Beide Länder, Deutschland und Spanien, sind gerade wegen ihrer bereits sehr starken Photovoltaikmärkte prädestiniert, diese Angelegenheit durch entsprechende politische Rahmenbedingungen und zielgerichtete Forschung sowie Förderprogramme voranzubringen. Eine letzte Frage stellt sich mir allerdings: wenn die Überdachung so positive Auswirkungen auf den Rebbau hat, warum entwickelt man nicht ähnliche Schatten spendende Überdachungen aus einfachen, wesentlich kostengünstigen Materialien?

Bleiben Sie stets neugierig …und genussvoll durstig! 

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