Mit dem Herzen sehen

Titelblatt des Kleinen Prinzen von P. Sloterdijk übersetzt

Titelblatt (Ausschnitt) des Kleinen Prinzen von P. Sloterdijk übersetzt

Als ich Ende August 2016 nach Andalusien fuhr befand sich Peter Sloterdijks neue Übersetzung von „Der kleine Prinz“ im Reisegepäck. Mit diesem für Erwachsene geschriebenen „Kinderbuch“ hat Antoine de Saint-Exupery noch kurz vor seinem Tode bekanntlich Weltliteratur geschaffen. Ich weiß nicht wie oft ich dieses kleine Werk schon gelesen habe, aber noch immer kann ich mich für die Aussage des Fuchses begeistern, der den kleinen Prinzen belehrte: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Wir alle spüren vermutlich, ohne viel nachzudenken, dass sich in dieser Zeile eine intuitive Wahrheit verbirgt, die allerdings schwer fassbar  ist.

Für was steht das Herz in diesem Zusammenhang? Es kann eigentlich nur der Geist sein. Eben jene in uns lebende schöpferische Kraft, die die subjektiven Wahrnehmungen und Eindrücke mit unserer Seele verknüpft. Dem äußerlichen Erkennen von Gegenständen, Menschen und Landschaften steht ein inneres Verständnis des Sehenden gegenüber, was ihm hilft seine Beobachtung in einen subjektiven Zusammenhang einzuordnen. Nur so sind letztlich Schönheit und Harmonie bzw. deren Gegenteil vermittelbar.

Was der französische Dichter auf den Gesichtssinn bezog gilt aber auch für alle anderen Sinneswahrnehmungen. Am meisten vermutlich für die Musik, sie ist ja geradezu die Sprache der Seele. Der Satz „Man hört nur mit dem Herzen gut“ klingt fast schon wie eine triviale Stammtischweisheit, aber er macht deutlich und erfahrbar was mit dem „Herzen“ gemeint ist. Auch der Wein benötigt zu seinem wirklichen Genuss das Herz. Die positiven Kräfte und Widrigkeiten der Natur, die Liebe mit der Kellerei und Lager erhalten und gepflegt werden sowie das Verständnis des Winzers für die vielen Aspekte der Biologie des Weins sind Teil des emotional Ganzen im Wein und nur mit dem Herzen bzw. dem Geist zu verstehen. „Man schmeckt nur mit dem Herzen gut“ spricht den Geist, das metaphysische Wesen in der Person des Weingenießers, an.

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