Immer wieder höre ich von Weinfreunden, die berichten, dass ihnen dieser oder jener Wein nicht bekommen würde. Sehr schnell fällt dann das Wort „Weinallergie“, aber ist dieser Begriff wirklich gerechtfertigt? Nicht jede Unverträglichkeit von Wein ist eine echte Allergie. Nach einer französischen Studie leiden etwa 0,2 Prozent aller Weintrinker unter der einen oder der anderen Nebenwirkung beim Genuss ihres Lieblingsgetränks. Die Universität Mainz hat allerdings ermittelt, dass unter den dort erfassten Studienteilnehmern in 7 % eine „Weinallergie“ berichtet wurde. Dazu ist zu sagen, dass eine tatsächliche Allergie, mit Halsschwellungen und schwerer Atemnot außerordentlich selten beobachtet wird. Die Mediziner sprechen daher bei den berichteten Weinunverträglichkeiten von „pseudoallergischen Reaktionen“ und haben sich daran gemacht diese etwas näher zu erforschen. Im Vordergrund stehen dabei die flush-artigen Rötungen im Gesichts- und Halsbereich, sowie eine zeitlich begrenzte Schwellung der Nasenschleimhäute, die einen Schnupfen vortäuschen können. Diese Erscheinungen deuten auf eine Beeinflussung der kleinen Blutgefässe.
Als Auslöser der genannten Symptomatik kommt eine Stoffklasse im Wein in Betracht, die die Chemiker „biogene Amine“ nennen. Hauptvertreter ist das Histamin. Man spricht daher häufig auch von einer Histamin-Intoleranz. Die biogenen Amine entstehen in sehr unterschiedlichen Konzentrationen bei der malo-laktischen Gärung, dem s. g. „biologischen Säureabbau“. Da letzterer viel häufiger und in größerem Stil bei Rotweinen abläuft, ist Rotweingenuß öfter mit diesen pseudoallergischen Reaktionen verbunden. Der Histamin-Gehalt im Wein kann allerdings erheblich variieren (von 5 mg/l bis über 2.000 mg/l. wurden gemessen). Aber auch eine andere Stoffklasse, die Flavonoide, die für die rote Farbe des Weins verantwortlich sind, besitzen ein Nebenwirkungspotential. Sie inhibieren (behindern) eine Reihe von Enzymen und können dadurch eine bedeutende Rolle bei der Auslösung von Migräne spielen.
Beim Weißwein gibt es auch eine pseudoallergische Intoleranz, diese wird durch die im Weißwein in meist deutlich höheren Konzentrationen vorkommenden Sulfite ausgelöst. Besonders Asthmatiker reagieren darauf empfindlich. Im Magen bildet sich aus den Sulfiten das Schwefeldioxyd, das nach dem Aufsteigen durch die Speiseröhre zu einer Reizung der Atemwege führen kann. Der gesetzlich vorgeschriebene Hinweis auf den Sulfitgehalt ist also durchaus berechtigt.
Kürzlich hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eine neue Verordnung zum Thema „Allergenkennzeichnung bei Wein“ veröffentlicht (07.02.2012) . Danach müssen zukünftig: „die önologischen Behandlungsmittel Kasein, Eieralbumin und Lysozym auf dem Weinetikett angeben werden, wenn sie im Enderzeugnis vorhanden sind.“ Der Hintergrund dieser Maßnahme ist, dass diese Proteine (Eiweißstoffe) im Wein, so jedenfalls eine Expertengruppe um Prof. H. König vom Institut für Mikrobiologie und Weinforschung der Universität Mainz, eine Immunreaktion hervorrufen und damit eine Allergie auslösen können. Davon ist u. a. die uralte Methode der „Eiweißschönung“ der Weine betroffen, die aber, wenn sie sorgfältig ausgeführt wird, so gut wie keine Eiweißückstände im Wein hinterlässt.
Wie ist die Gefahr einer schweren allergischen Reaktion nach Weingenuß nun realistisch einzuschätzen? Man sollte sich immer vor Augen halten, dass seltene Erkrankungen, wie die s. g. echte „Weinallergie“, tatsächlich auch selten vorkommen. Nach dem oben Gesagten kann man Unverträglichkeiten, etwa durch hohen Histamin- oder Sulfitgehalt dadurch begegnen kann, dass man sich einen anderen Wein sucht. Man sollte aber wissen, dass häufig schon ein anderer Jahrgang des gleichen Weins gut verträglich sein kann.