Vino de cosechero: ein spanischer Beaujolais Nouveau?

Am dritten Donnerstag des Novembers wurde, wie jedes Jahr zum gleichen Zeitpunkt, der Beaujolais Nouveau 2012 freigegeben. Dank eines, seit 1951 konsequent durchgeführten guten Marketing ist die Nachfrage nach diesem jungen Gewächs aus der Gamay-Traube noch immer recht groß. Wenige Weinfreunde wissen allerdings, daß es in der Rioja Alavesa schon seit Urzeiten einen jungen Wein gibt, der von der Machart dem Beaujolais Nouveau recht ähnlich ist: der Cosechero-Wein (cosechero = Winzer). Im Mittelpunkt der Vinifikation steht bei beiden Weinen die „Kohlensäuregärung“ (maceration carbonique bzw. span.: maceración carbonica), bei der Gärhefen in der ganzen, unverletzten Traube in einem Kohlensäuregas-Milieu aktiviert werden. Man nennt dieses Verfahren daher auch „Autofermentation“ oder „intrazelluläre Vergärung“. Gerade der Tempranillo eignet sich für dieses „innere“ Gärverfahren, ähnlich wie der Gamay im Beaujolais-Gebiet, besonders gut, weil diese Trauben reich an den entsprechenden Enzymen sind.

Bei der ganz traditionellen Weinbereitung in der Rioja Alavesa, deren Wurzeln in römische Zeiten zurückreichen, werden die ganzen, nicht entrappten Trauben in einen s. g. „lago“, das ist ursprünglich ein in den Boden eingemauerter rechteckiger Steinbehälter, gefüllt. Die Kohlensäure entsteht zunächst spontan, indem die normale alkoholische Gärung des vom Druck der Traubenlast ausgelaufenen Mostes einsetzt. Da Kohlendioxyd schwerer als Luft ist, steigt es im „lago“ langsam von unten nach oben und entweicht erst, wenn der „lago“ mit dem Gas voll ist. Eine weitere, und für diesen Typ der Weinbereitung charakteristische Art der Kohlendioxyd-Bildung ist die chemische Reaktion von Weinsäure mit dem Kalziumkarbonat der Quadersteine des „lago“. Diese Steine stammten immer aus bestimmten Bezirken der kantabrischen Berge, wo, wie man heute aufgrund von Analysen sehr genau weiß, ein besonders hoher Kalzium-Karbonatgehalt vorkommt. Die Weinsäure reagiert damit und diese Reaktion geschieht wiederum unter Bildung von Kohlendioxyd. Die enorme Bedeutung dieser chemischen Reaktion erfordert, dass der lago am Ende der Gärung wieder äußerst sorgfältig gereinigt wird und Rückstände, wie z. B. Weinstein, entfernt werden um beim nächsten Mal den Kontakt des Mostes mit dem Stein erneut zu gewährleisten. Heute gibt es effizientere Verfahren der Kohlensäurezufuhr in Edelstahltanks, aber das Prinzip der Gärung unter Kohlensäure ist unverändert geblieben.

Diese Art der Gärführung, die ja streng genommen eine „Mischgärung“ ist, ergibt Weine von besonderem Charakter. Ähnlich dem Beaujolais Nouveau, der ganz strikt unter zugeführter Kohlendioxyd vergoren wird, sind sie fruchtig und süffig. Um der Säurearmut des Weines, die dieses Gärverfahren mit sich bringt, entgegenzuwirken erfolgt die Lese frühzeitig, damit die Trauben noch über ausreichende Säurereserven verfügen. Als frühreife Sorte baut der Tempranillo auch etwas weniger Säure als andere Rebsorten auf. Manche Winzer geben den Tempranillomosten daher noch kleinere Mengen der wesentlich säurereicheren, weißen Viura-Traube hinzu. Auch das Belassen von etwas Kohlensäure im Wein hilft fehlende Säure auszugleichen. Die „cosechero“-Weine entsprechen dem heutigen Bedürfnis nach leichten, jungen und fruchtigen Rotweinen, die man auch etwas gekühlt trinken sollte.

 

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