Tapas: Spaniens genußvoller Beitrag zur Gastrokultur

Die Erklärung: "Tapa" zu deutsch "der Deckel"

Die Erklärung: "Tapa" zu deutsch "der Deckel"

„Dem unbekannten Spanier sollten wir ein Denkmal setzen. Dem, der, wer weiß wann und wo, in seine Küche ging, eine Hand voller meeresfrischer Gambas, es mögen auch einfach ein paar Scheiben einer schlichten Aubergine gewesen sein, in einen Backteig hüllte und sie frisch fritiert und ohne große Worte dem Gast zum Sherry überreichte“. Dies schrieb 1992 der erste deutsche „Drei-Sterne-Koch“ Eckart Witzigmann. Zwar kennt man nicht den Namen des Erfinders der „Tapas“ aber die Übersetzung des Wortes gibt uns wenigstens einen kleinen Hinweis auf seinen Ursprung. Tapa bedeutet „Deckel“ und gemeint damit war wahrscheinlich jenes Stück Brot oder Wurst, das der Schankwirt dem Gast über das gefüllte Weinglas legte. Eine Sitte, die ihren Ursprung in Andalusien hatte und sich von dort über die gesamte Halbinsel verbreitete. Der in Málaga geborene Schriftsteller Juan Madrid stellt im Vorwort zu Winfried Jeniors hübschem Tapas-Buch die Hypothese auf, daß insbesondere die Militärdiktatur des General Primo de Rivera in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für den Durchbruch der Tapas als „gesamtspanische“ Sitte verantwortlich sei. Während seiner Diktatur fand der größte Werbefeldzug, den Andalusien in seiner Geschichte je erfahren hat, statt. Der General stammte aus Jerez de la Frontera und war ein eingefleischter Liebhaber des „Fino“, der Tapas, des Gesanges und des Tanzes seiner Heimat. Die Hauptstadt und andere Teile Spaniens erlebten in jenen Jahren eine heute kaum mehr vorstellbare „Andalusierung“. Seither wird Andalusien häufig mit Spanien gleichgesetzt, was natürlich eine ganz unzulässige Vereinfachung ist.

Die Sitte Trinken immer mit Essen zu verbinden ist sicher maurischen Ursprungs und hängt mit der spezifischen Bedeutung des Weins für die Schärfung der Sinne und der Kommunikation in diesem Kulturkreis zusammen. Darauf bin ich ja an anderer Stelle schon eingegengen. Gute Tapas können denkbar einfach sein. Alles was man benötigt sind frische Produkte und etwas Phantasie. Natürlich gibt es in Spanien auch lausige, häufig nur mit Mühe herunterwürgbare Dinge, die das Attribut „Tapa“ erhalten haben. Hin und wieder aber läuft die Vorstellungskraft des Wirtes zur Höchstform auf und bietet dem Gast Genuß pur. Ich erinnere mich an eine kleine Bar in der Altstadt von Almería in der mir einmal zu einem jungen Manzanilla-Sherry eine frische Saubohnen-Schote und ein Stück völlig unbehandelter, getrockneter Stockfisch gereicht wurde. Zunächst konnte ich nicht glauben, daß diese beiden „rohen“ Dinge auf dem kleinen Teller zum direkten Verzehr geeignet sein sollten. Nachdem ich nochmals nachgefragt hatte, holte ich mit den Fingern die Bohnen aus der Schote und ass mit größtem Vergnügen ein kleines Stück des gesalzenen Stockfischs dazu. Selten war die Geschmacksharmonie einer Tapa mit dem, ebenfalls leicht salzig schmeckenden, Manzanilla vollkommener.

Es bedarf tatsächlich keiner kulinarischen Kunstgriffe oder aufwendiger Küchenspektakel gute Tapas zu bereiten. Der bereits zitierte Eckart Witzigmann ergänzt: „Man trifft sich zu einem Drink. Man reiche dazu Tapas. Das vollendet den Genuß auf die denkbar einfachste Art. Denn das spanische Original-Rezept heißt: Schau in den Garten, gehe auf den Markt und scheue dich nicht, deinen Freunden auch nur ein Ei in die Pfanne zu hauen – vorausgesetzt, du würzt und bereicherst es mit ein paar vorzüglichen Kartoffeln oder einigen sonnensatten Tomaten. Gib ihnen nicht mehr als Schinken, aber vom erlesenen Schwein. Und laß dir dazu eine vollreife Feige einfallen. Ein paar Calamares brauchen keinerlei komplizierte Rafinesse, sondern ausschliesslich die Delikatesse von bestem Öl und gartenfrischer Petersilie.“  Witzigmann´s Tapa-Strategie ist einfach und einleuchtend: man sollte frische Produkte verwenden und mit diesen dann möglichst wenig Aufwand betreiben. So kann man die werdenden Tapas auch in vielen andalusischen Bars bewundern. Fein säuberlich liegen die Zutaten in den gekühlten Vitrinen und regen durch ihr appetitliches Aussehen die Sinne an. Zwischen all den Köstlichkeiten schimmert die üppig dunkelgrüne Petersilie hindurch und verleiht den Stilleben jene farbliche und kompositorische Dramatik, der auch große Maler seit Jahrhunderten gehuldigt haben.

Die Spanier lieben die Welt mit den Augen zu sehen, zu erfassen und zu erleben. Sie beäugen sich gegenseitig, registrieren schöne Kleidung und ein gepflegtes Äusseres. Sie begeistern sich am zufriedenen Gesichtsausdruck der Geniesser. Die Ästhetik spielt im Alltagsleben eine viel größere Rolle als in unseren Breitengraden, dies merkt man nicht nur an den sommerlichen Luxus-Stränden der Costa del Sol sondern auch am Tresen der Bar zur Tapa-Zeit. In Präsentierpose stehen Sie, die Beine elegant über Kreuz, sich mit dem Ellbogen lässig an der Wand abstützend oder den Fuß auf der Fußstange der Bar ruhend, ein Glas in der Hand und die Blicke durch den Raum schweifend während sie mit ihrem Gegenüber ein Gespräch beginnen. So wie sie die Leute um sich herum mustern, sind sie sich bewusst, daß sie selbst ständig Objekte der optischen Begierde anderer sind. An der Mimik dessen, der die Bar gerade betritt erkennt man, daß es zunächst einmal gilt festzustellen, ob bekannte oder gar prominente Gesichter hier sind. Nach den Minuten des ersten, nervösen Herumschauens kann man sich auf den ursprünglichen Sinn des Hierseins konzentrieren. Nachdem man vom Wirt das volle Weinglas, oder heute auch immer öfter das Bierglas, die „caña“, herübergereicht bekommen hat, ist die Standardfrage „Que tiene de tapas?“. Dann wird stolz aufgezählt, eventuell hinterfragt, sich mit seinem Partner beraten und schliesslich bestellt. Sie ziehen von Bar zu Bar, von taberna zu taberna oder von tasca zu tasca, so heißen die Etablissements in denen kreuz und quer durch Spanien dem himmlische Genuß von Essen und Trinken in kleinen Portionen gefrönt wird.

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