Im Collegium Vini: eine denkwürdige Verkostung historischer Rebsorten

Eine Probe hat´s gezeigt: auch zur Zeit dieser Architektur (Auxerre, Burgund) gab es guten Wein.

Den vorliegenden Bericht habe ich in Ludwig Fienholds Internet-Magazin BISS im März 2018 bereits publiziert. Um ihn auch den Freunden dieser Web site zugänglich zu machen gebe ich ihn hier, in etwas abgeänderter Form, wider.

Am 15. Februar 2018 ging es beim Frankfurter Collegium Vini um das Thema „Historische Rebsorten“. Ulrich Steger, der Vorsitzende des „Vereins zur Förderung des Historischen Weinbaus im Rheingau“ und ehemals Hessischer Justizminister, hat, zur Begeisterung aller Anwesenden, zusammen mit dem Winzer Baron Knyphausen aus Eltville, einem Pionier des Roten Rieslings und „Gemichen Satzes“, ein intellektuelles und sensorisches Feuerwerk gezündet.

Wozu sollte man sich überhaupt mit den alten, vergessenen Rebsorten beschäftigen, ist ihr Schicksal nicht ganz berechtigt, da sie sich qualitativ gegen ihre Konkurrenz offenbar nicht durchsetzen konnten? Seit dem Verschwinden der heute „historisch“ genannten Sorten ist sowohl klimatisch als auch in der Technik und Pflege des Rebbaus sowie in der Kellerwirtschaft so viel geschehen, dass die berechtigte Hoffnung besteht mit den neuen Methoden auch neue Charakteristika aus den alten Sorten heraus zu kitzeln. Aufgrund der langjährigen Übermacht der sog. klonalen Selektion in der Rebzucht ist es zu einer erschreckenden Verarmung der Bio-Diversität im Rebbau gekommen, die theoretisch durch historische Rebsorten wiederhergestellt werden kann. Es gibt also gute Gründe für die ernsthafte Beschäftigung mit alten Sorten und damit für die Winzer später einmal sich auftuende Marktnischen abdecken zu können!

Ein zweiter Ansatz historischen Rebbau wieder zu beleben ist der sog. „Gemischte Satz“. Auch hierauf wurde von den Referenten ausführlich eingegangen. Die Bezeichnungen „Gemischter Satz“ oder „Mischsatz“ beschreiben einen Wein, der aus unterschiedlichen Rebsorten gekeltert wird, die alle im gleichen Rebgarten stehen und zusammen gleichzeitig gelesen, gekeltert, vergoren und ausgebaut werden. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war dies die übliche Art Wein zu bereiten, bevor sie vom sortenreinen Anbau abgelöst wurde. Wegen der Gleichzeitigkeit der Lese gab es immer überreife und unterreife Trauben sowie alle Reifestadien dazwischen. Der Most beinhaltete zwischen kompottartigen bis grünen Nuancen das ganze Aromaspektrum der physiologischen Reife mit den entsprechenden Säuregraden. Die praktische Bedeutung dieser Weinbereitung war natürlich die Risikominimierung durch die Reduzierung der Möglichkeit eines totalen Ernteausfalls und die Garantie einer Minimalqualität des Endproduktes. Heute sieht man im Mischsatz vorwiegend die durch die beteiligten Sorten bedingte Vielschichtigkeit der Aromatik, eine willkommene Alternative zu den Einheitsgeschmäckern der weltweiten Monokulturen internationaler Rebsorten. Übrigens, Österreich hat sich in einer EU-Verordnung den Begriff „Gemischer Satz“, wegen seines traditionellen Wiener Gemischen Satzes sichern lassen, so dass diese Bezeichnung für andere Länder eigentlich tabu ist.

Nun zu den Weinen der Verkostung. Den Anfang bildete ein „Elbling Extra Brut“-Sekt ohne Dosage vom Mosel-Weingut Dostert. Unter den Roten Rieslingen stachen die feinherben von Baron Knyphausen und der Bergsträsser Winzer e.G. besonders hervor. Ein Heunisch vom Rüdesheimer Berg Rottland, konnte nicht überzeugen, obwohl diese mittelalterliche Sorte Elternteil so berühmter Reben wie Chardonnay, Riesling, Blaufränkisch, Gamay u.v.a. ist. Der Gelbe Orleans vom Pfälzer Weingut Knipser war zwar frisch und knackig, aber etwas zu sehr auf der sauren Seite. Der „Sulzfelder Blaue Sylvaner“ von Weingut Luckert in Franken war überraschend fruchtig und schmelzig am Gaumen. Die in Minimengen vom Institut für Rebenzüchtung an der Hochschule Geisenheim hergestellten und als „wirklich vergessene Rebsorten“ apostophierten Weine aus den Sorten Räuschling, Blauer Affenthaler und Blauer Elbling waren interessante Ansätze aber noch nicht der völlig unbeschwerte Genuss. Den gab es erst wieder in der Rubrik „Historische Rotweine“ mit dem chilenischen Carménère Gran Reserva 2015 von der Viña Baron Knyphausen, dem südamerikanischen Ableger des Barons. Aber auch der Rotwein aus dem Gansfüßer vom Staatsweingut Neustadt und der rote Urban von Graf Adelmann haben Freude aufkommen lassen. Schließlich gab es noch drei aromatisch interessante Kreszenzen aus der Tauberschwarz vom Weingut Hofmann aus Röttingen, Muskat-Trollinger vom Weingut Kistenmacher-Hengerer aus Heilbronn sowie den restüßen Weißherbst Lörzweiler Hohberg Rosenmuskateller vom Weingut Gottwald & Sohn.

In der Gruppe „Gemischter Satz“ erfuhren die Probenteilnehmer tatsächlich eine andere Aromenwelt. Zwar konnte ich bei allen Weinen den Traminer, oder einen seiner Abkömmlinge, durchschmecken aber die beiden Gutsweine aus 7 historischen Rebsorten des Barons Knyphausen zeigten jeweils in eine ganz neue Aromatik. Die Mischung von Riesling und Traminer im Alzenztäler Alter Satz „Cöllner Rosenberg“, 2016 war weit mehr als nur eine Cuvée dieser Sorten und die „Gemengelage“ 2016 mit 12 Sorten zeigte die ganze Vielschichtigkeit der traditionellen Anbau- und Lesemethode. Das Fazit des Abends war unbestritten: die Beschäftigung mit historischen Rebsorten lohnt sich nicht nur für den Forscher oder geschichtsinteressierten Weinfreund sondern auch für alle Genießer, deren Geschmacksnerven gerne provoziert werden wollen.

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