Der Merlot ist eine sehr charaktervolle Rebsorte, die sich von ihrer Heimat an der Gironde über fast alle Weingegenden der Welt verbreitet hat. In seinem Ursprungsland Frankreich wird er selten als reinsortiger Wein ausgebaut und in den Cuvées spielt der Cabernet Franc, dessen Charakter dem Merlot ähnlich ist, eine große Rolle. Der Siegeszug des Merlots begann mit seinem reinsortigen Ausbau in den 80-iger Jahren, insbesondere in der neuen Welt. Im Gegensatz zum Cabernet Sauvignon, der immer als „männlicher“ Wein mit Ecken und Kanten galt, wurde der Merlot mit dem Prädikat „weiblich“ bedacht und mit Eigenschaftsklischees wie weich, geschmeidig, fruchtig und charmant versehen. Seine Verbreitung hat der Merlot nicht nur den genannten Eigenschaften sondern auch seiner Ertragsstärke zu verdanken. Auf den ersten Blick erscheint er als eine komplikationslose, einfach zu handhabende Sorte.
Wer sich aber durch die vielen Anbaugebiete des Merlots in Europa und Übersee durchprobiert hat, wird rasch erkennen, daß es nur selten wirklich gute Weine aus dieser Sorte gibt (der legendäre und fast reinsortige „Petrus“ bleibt eine absolute Ausnahmeerscheinung!). Der Merlot liebt besonders eisen- und kalkhaltigen Lehmboden, er treibt früh aus, blüht früh und reift auch entsprechend früh. Dies macht ihn einerseits empfindlich für späte Fröste und am Ende der Reifung ist der Zeitpunkt der Lese äusserst kritisch. Wichtiger als alles andere für die Qualität des Weines ist der optimale Tag der Lese. Während der letzten Reifungsphase entwickelt sich der Geschmack des Mostes innerhalb von zwei bis drei Tagen von unreifen, grünen Spargel- und grasigen Kräutertönen zu überreifen Pflaumen-, Rosinen- und Kompottnoten. Für ein optimales Ergebnis muss man – etwas überspitzt – fordern, dass die genaue Stunde der Lese festgelegt wird. Für hohe Qualität des Weines ist auch eine strenge Ertragsregulierung erforderlich.
Der Merlot ist empfindlich für Trockenheit. In Spanien mit seinem notorischen Regenmangel herrschte daher die Lehrmeinung der Merlot könne in diesem Land nicht zu wirklicher Größe heranreifen. Daß dies lediglich ein Vorurteil war, zeigen einige Merlots aus den wirklich heißen Regionen. Spaniens Renommierwein, der Vega Sicilia „Unico“, enthielt schon immer einen kleinen Anteil des Merlot. Dieser wurde bereits im 19. Jahrhundert an den Duero-Fluss gebracht und seine außerordentliche Qualität hat guten Kennern dieses Weingutes nahegelegt, daß Spanien ein guter Boden für diese Rebsorte sein könnte. Dass dies wirklich so ist, zeigen einige Merlots aus den heißen Regionen Spaniens. In ihrem Rebsortenführer aus dem Jahre 1987 erwähnte Jancis Robinson, dass der Merlot in Spanien so gut wie nicht vertreten sei. Allerdings hatten viele Kellereien in den frühen 80iger Jahren bereits in größerem Stil begonnen Merlot zu pflanzen bzw. zu pfropfen. Die Schwerpunkte des Merlot liegen heute in Katalonien, Ribera del Duero und Navarra. Hier hat man viel Erfahrungen mit dieser Rebsorte gesammelt und tatsächlich einen „spanischen“ Stil geprägt.
Eine der Eigenschaften des Merlots ist ja bekanntlich seine enorme Verwandlungsfähigkeit; und dies gilt natürlich auch in Spanien. Dem iberischen Geschmack entsprechend, wird er meist sehr reif gelesen und im Barrique ausgebaut. Die Hauptmerkmale eines reinsortigen Merlots der Spitzenqualität sind dann seine feste, fleischige Struktur und sein Geschmack nach Fruchtkuchen, Wild und Gewürzen, häufig mit mineralischen Tönen vermischt. Das sortentypische, florale Bukett mit den Veilchentönen ist in Spanien eher gering ausgeprägt.
Mittlerweile ist auch auf der Iberischen Halbinsel die häufigste Art den Merlot zu verwenden die Cuvée. Die erwähnten Dimensionen von Struktur und Charakter machen ihn nicht nur zum klassischen Partner des Cabernet Sauvignon sondern auch einiger einheimischer Rebsorten. In der Levante hat man ihn erfolgreich mit dem Monastrell vermählt (z.B. Pozuelo), im Priorato ist er gelegentlich Teil der großen Garnacha-/Cariñena-Weine (z.B. Clos Martinet). Auch mit Spaniens Edelrebe par excellence, dem Tempranillo, ist der Merlot vermählt worden (z.B. Uncastellum Barrica). Bei den reinsortigen Merlots kommen richtige Schwergewichte aus den katalanischen Weinbaugebieten von Costers del Segre und Penedès, sowie aus Navarra (z.B. Viñedo No. 4) und aus Somontano (z.B. Enate Merlot-Merlot). Es ist nur natürlich, daß im Land der langen Roséweintradition auch aus dem Merlot „rosados“ gekeltert werden. Einige dieser Weine sind von überragender Fruchtigkeit und von einem überwältigendem Charme.
Das einst für unmöglich gehaltene ist geschehen: Spanien mausert sich zu einer neuen Heimat des Merlot. Dabei gibt man sich viel Mühe das eigene „terroir“ in den Wein zu bringen und sich nicht dem internationalen Geschmacksdiktat anzupassen. Was den Spaniern mit dem Cabernet Sauvignon gelungen ist, sollte auch mit dem Merlot möglich sein: urspanischen Wein zu machen.