Als vor über vierhundert Jahren die sagenumwobenen Piraten Hawkins und Drake im Auftrag der englischen Königin Elizabeth I. vor Cádiz beinahe dreihundert Fässer andalusischen Weines von den Spaniern erbeuteten und sie nach London schifften, wurden sie dort zu Höchstpreisen gehandelt. Auch William Shakespeare, der kein Kostverächter war, fand großen Gefallen an diesem Getränk. Heute werden die Werbeagenturen, die sich rund um den Globus für den Sherry engagieren, nicht müde den englischen Klassiker für ihre Zwecke einzuspannen. In seinem schon mehrfach zitierten „König Heinrich der Vierte“ (2. Teil, 4. Aufzug, 3. Szene) liess Shakespeare den lebensfrohen Falstaff vom „spanischen Sekt“ schwärmen. In der deutschen Übersetzung August Wilhelm von Schlegels bekennt Falstaff: „Wenn ich tausend Söhne hätte, der erste menschliche Grundsatz, den ich ihnen lehren wollte, sollte sein, dünnes Getränk abzuschwören und sich dem Sekt zu ergeben“. Im englischen Original lautet dieses Zitat: „If I had a thousand sons, the first human principle I would teach them should be, to forswear thin potations and to addict themselves to sack.“ <br><br>Was der große Dichter aus Stratford-upon-Avon um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert „sack“, oder an anderer Stelle auch „Sherris-sack“, nennt bezeichnete Schlegel 1799 als „spanischer Sekt“. Damals gab es die heutige Verbindung dieses Wortes mit dem Schaumwein noch nicht. Bereits im 17. Jahrhundert ist im Deutschen der Begriff „Seck“ oder „Canarien-Seckt“ dokumentiert. Andere Schreibweisen waren „Sect“ oder „Seckt“. Gemeint waren damit immer spanische Likörweine, die als „Südweine“ vermutlich auch entsprechend süß waren. Dies ist bemerkenswert, da eine wahrscheinliche Wurzel des Wortes das lateinische „siccus“ oder das spanische „seco“ (beides = trocken) ist. Es ist sicher so, daß das was in früheren Zeiten als „trocken“ bezeichnet wurde mit grosser Wahrscheinlichkeit wesentlich süsser war, als wir dies heute gewohnt sind. Eine andere, und nicht minder wahrscheinliche Interpretation des Wortes „sack“ oder „Sekt“ leitet es vom spanischen Wort „sacar“ (herausholen) ab, was wohl bedeutet, daß der Wein meist direkt aus dem Faß, in dem er auch exportiert wurde, serviert wurde. Es muss sich also um Weine gehandelt haben die oxidativ ausgebaut wurden, d.h. die sich durch den Sauerstoffkontakt in halbleeren Fässern nicht mehr wesentlich verändern konnten. <br><br>Obwohl es nichts mit Sherry zu tun hat, ist vielleicht interessant zu erfahren wie sich der Bedeutungswandel des Wortes „Sekt“ in der deutschen Sprache später vollzogen hat. Dies soll im Jahre 1825 in der Berliner Weinstube von Lutter und Wegener geschehen sein. Ludwig Devrient, seinerzeit ein genialer Charakterschauspieler am Berliner Hoftheater und Freund E.T.A. Hoffmanns, soll sich in gut gelaunter Champagnerrunde eine weitere Flasche bestellt haben und dabei die obigen Worte Falstaffs deklamiert haben. In dieser mißverstandenen Verwendung für Champagner hat sich dann „Sekt“ von Berlin aus im ganzen deutschen Sprachraum verbreitet. Spätere Marketing-Strategen haben es schliesslich für den deutschen Schaumwein requiriert.<br><br>Daß es aber so rasch und unkopliziert zu einer völligen Veränderung der Bedeutung des Wortes „Sekt“ kommen konnte ist ein untrügliches Zeichen für den sehr geringen Bekanntheitsgrad des Sherry im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Ganz anders in England. Noch bis etwa 1850 war „sack“ ein Synonym für Sherry. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden an die 200.000 Hektoliter „sack“ im Jahr in das englische Königreich verschifft. Häufig war das, was zu dieser Zeit exportiert wurde, allerdings eher das Rohmaterial: vorwiegend ganz junge Weine und manchmal sogar noch gärende Moste, die während des Transportes auf See langsam in Eichenfässern ihren Charakter entwickelten. In den Häfen von Bristol und London gab es riesige Kellereien in denen der Sherry reifte und zu einem Symbol britischer Lebensart wurde. Was damals die Gaumen der englischen Geniesser in Begeisterung versetzte, war ein Sherry-Typ dessen Charakter heute mit dem wohlklingenden Namen „oloroso“ umschrieben wird. Die Engländer wollten ihr Leib- und Magengetränk auch in den Kolonien nicht missen und so kam es, daß der Sherry seinen Weg auch nach Amerika und Australien gefunden hat. Dort wird er, völlig unbeeinflusst von europäischen Markenschutzgesetzten, auch heute noch produziert. Eine Konkurrenz für „the real stuff“ ist er natürlich nicht.