In Madrids Staasgalerie, dem „Prado“, hängen zwei Meisterwerke, die dem Wein huldigen. Beide, „Los Borrachos“ von Velazquez und „Der Herbst“ von Goya zeigen uns Interessantes von der spanischen Weinkultur. Einer der Trinker auf Velazquez´ Bild, im Vordergrund und in einen braunen Umhang gehüllt, hält in seiner rechten Hand ein Glas in dem sich eine rosa – bis fleischfarbene Flüssigkeit befindet. Es handelt sich ganz zweifellos um Wein. Da die ganze Gesellschaft eher den Eindruck einfacher Leute vermittelt ist wohl anzunehmen, daß dieser Wein auch der war, den man damals in Spanien allgemein trank. Wie die Farbe des Weins zustande kam zeigt uns das über ein Jahrhundert später gemalte Bild Goyas. Im Korb der jungen Bäuerin befinden sich rote und weiße Trauben nebeneinander. Da das Lesegut offensichtlich gerade von den im Hindergrund dargestellten Rebgärten stammt ist anzunehmen, daß rote und weiße Trauben nicht nur in direkter Nachbarschaft zueinander standen sondern auch gleichzeitig gelesen wurden. Wenn dieses Lesegut dann wie Weißwein gekeltert wird entsteht ziemlich genau die Farbe, die Velazquez auf seinem Bild festgehalten hat. Historisch gesehen dürfte dieser Weintyp tatsächlich der älteste Spaniens sein. |
In der Beatus-Handschrift aus dem 10. Jahrhundert, die sich heute in der Bibliothek des Escorial befindet, gibt es eine Darstellung des Jüngsten Gerichtes als Allegorie der Ernte. Die Heiligen legen die Sichel an den Weinstock und ernten die Trauben. Bei genauerem Hinsehen erkennt man am gleichen Stock weiße und rote Trauben. Da das Buch in San Millán de la Cogolla, mitten in der Rioja, angefertigt wurde, ist anzunehmen, daß der anonyme Künstler die Praxis der Weinlese dort darstellte. Natürlich wuchsen auch damals an ein un dem gleichen Stock nicht Trauben unterschiedlicher Farbe, aber die Botschaft ist doch klar: der Wein war ein Gemisch aus roten und weißen Mosten.
Noch heute, ein Jahrtausend später, trifft man ihn vielerorts an. Es ist der Wein der Bauern, die seine Qualität ausschliesslich nach dem Alkoholgehalt beurteilen. In der Provinz Granada wird er auch in den Ferienorten. als „vino de la costa“, als „Küstenwein“ angeboten. Er hat einen mehr oder weniger ausgeprägten Sherryton und da er fast immer jung getrunken wird, zeigt er gelegentlich sogar eine angenehme Frucht. Sein Alkoholgehalt liegt normalerweise irgentwo zwischen 15 und 17 Vol.-%. Zu den deftigen lokalen Speisen passt er nicht schlecht, ansonsten ist er für nordeuropäische Gaumen eher gewöhnungsbedürftig. Er ist in Andalusien der große Kalorienspender für den Winter.
Der spanische Konsumwein war wohl über viele Jahrhunderte ein „rosado“, der aber meist als „Weißwein“ bezeichnet wurde. Den Wein im Glas des Trinkers von Velazquez würden wir nach heutiger Vorstellung „Rotling“ nennen, ein typischer Mischsatz von weißen und wenigen roten Trauben.. In unseren Tagen wird dieser Weintyp in den großen Weinbauregionen Europas so gut wie nicht mehr hergestellt. Auch in Spanien haben sich die Weinmacher der größeren Kellereien schon vor langer Zeit der Verfeinerung des „Rotlings“ verschrieben und dafür gesorgt, daß einige der schönsten Roséweine von der Iberischen Halbinsel stammen. Trotzdem haben sie es schwer beim Konsumenten die ihnen gebührende Anerkennung zu finden. Kaum ein Produkt der Weinkultur ist mit so vielen Vorurteilen belegt wie der Roséwein. Diese Weine seien aus „billigen Rot- und Weißweinen gepanscht“, „nicht Fisch nicht Fleisch“ und „wenn überhaupt akzeptabel, dann nur eiskalt als Sommerweine“. So und ähnlich lauten die Urteile und verraten damit, daß derjenige der sie äussert, vom Roséwein erst wenig verstanden hat.
Zunächst einmal sollte man sich vor Augen führen, daß heute alle guten „rosados“ ausschließlich aus roten Trauben gekeltert werden, die im Rebgarten die gleiche Pflege und die gleiche Aufmerksamkeit wie die Trauben für Rotweine erhalten. Daß es überhaupt möglich ist Weine diesen Typs zu machen, liegt daran, daß die meisten roten Trauben weißes Fruchtfleisch haben, d.h. der Most ist in seiner Farbe von dem eines Weißweins zunächst nicht zu unterscheiden. Die Farbe des „rosado“ wird einerseits vom Gehalt an den roten Farbstoffen in der Beerenschale und andrerseits von der Zeit des Kontaktes der Schalen mit dem Most bestimmt. Geringerer Farbstoffgehalt der Beeren, bedeutet, daß für einen „rosado“ der Kontakt mit den Schalen, der s.g. Maische, durchaus 12 Stunden und länger sein darf. Bei farbstoffreichen Trauben reichen 6 bis 9 Stunden Maischekontakt völlig aus. Im übrigen liegt es am Stil des Hauses wie intensiv die Farbe sein, bzw. welchen Ton sie haben soll. Aber nicht nur die Farbintensität ist für den Rosé wichtig, auch Geschmacksstoffe und zarte Gerbstoffe (Tannine) können aus den Beeren in der kurzen Zeit des Maischekontaktes in den Wein übergehen, und den ganz besonderen Charakter des Weins ausmachen. Wie alle Weine können auch „rosados“ reinsortig oder als „coupage“, d.h. als Mischung von Mosten verschiedener Rebsorten, ausgebaut werden.
Modern vinifizierte „rosados“ sollten jung auf die Flasche gezogen und jung getrunken werden. Manchen körperreicheren Weinen tut eine ein- oder gar zweijährige Flaschenreifung ganz gut, sie bekommen dann einen attraktiven Reifeton im Geschmack, der besonders gut mit Speisen harmoniert. Die traditionellen Kellereien der Rioja, wie Marqués de Murrieta, Lopez Heredia Viña Tondonia oder Bodegas Riojanas haben noch bis vor einigen Jahren in kleinsten Mengen barrique-ausgebaute „rosados“ hergestellt. Diese meist reinsortigen und ausserordentlich komplexen, fleischfarbenen Weine waren in ihrer Art unvergleichliche Charaktere und es ist sehr schade, daß sie kommerziellen Überlegungen zum Opfer gefallen sind und nicht mehr produziert werden.
Dem Rosé haftet das Klischee vom „Sommer- oder Terassenwein“ an. Der Winter ist daher bei vielen Weintrinkern traditionell eine „roséfreie Zeit“. Diese Vorurteile sollten meiner Meinung nach unbedingt revidiert werden. Es gibt kaum ein besseres Getränk als einen „rosado“ zu den vielfältigen spanischen Reisgerichten („arroces“). Reis wird ja seit den Zeiten der Araber in großen Mengen im Ebrodelta sowie in dem Sumpfgebiet („albuferas“) von Valencia angebaut und die spanische Küche hat daraus im Laufe der Jahrhunderte Gerichte geschaffen, die in der ganzen Welt bekannt wurden. Die „paella“ in ihren zahllosen Variationen ist nur eines von vielen Beispielen, hinzu kommen die beiden katalanischen Klassiker, die „Zarzuela“ und der „arroz abanda“. Daneben gibt es unzählige Reisgerichte in denen Täubchen, Hühnchen, Kaninchen, Lamm- und Schweinefleisch, Gemüse, Fische, Muscheln und andere Meeresfrüchte verarbeitet werden und zu denen ein leicht gekühlter, kraftvoller „rosado“ – auch im Winter – die perfekte Ergänzung darstellt. Und noch ein kulinarischer Tip: Für den Weinfreund sind Artischocken bekanntlich ein Problemgericht, denn mit ihm harmonieren nur sehr wenige Weine. Ich versichere Ihnen: ein spritziger, spanischer „rosado“ passt nicht schlecht dazu!