Wie ich zum spanischen Wein gekommen bin Im Jahre 1978 war die Passierbarkeit spanischer Straßen noch immer unberechenbar und so kam es, daß ich bei einer Autoreise nach Madrid frühzeitig in einem frugalen Fernfahrer-Hotel in der Provinz Segovia endete. Es war spät, ich hatte Hunger und war zum Umfallen müde. Im nüchternen, neonbeleuchteten Speisesaal bestellte ich etwas zu essen. Dazu wollte ich, wegen der richtigen Bettschwere, eine Flasche Wein trinken. „Soll es der vino de la casa oder etwas besseres sein?“ Nachdem ich die Preise verglichen hatte entschied ich mich „für`s Bessere“, denn auch dies war nach den damaligen deutschen Standards spottbillig. Der Kellner kam mit einer staubigen Flasche, die mit einem lächerlichen Drahtgeflecht umgeben und deren Etikett häßlich hausbacken war. Der gute Mann zeigte mir dieses Flaschenmonster und interpretierte meine entsetzte Starre als Zustimmung. Er begann zuerst den Draht zu zerfleddern, dann kratzte er mit seinen ungeschickten Fingern die Kapsel von der Flasche und schliesslich setzte er den Korkenzieher an. Nachdem die Flasche offen war goß er mir ein ganzes Zahnputzglas ein und ließ mich mit meinen gemischten Gefühlen sitzen. Was dann kam ist eigentlich nicht wirklich zu beschreiben. Trotz aller vorangegangen Widrigkeiten glättete bereits der erste Schluck die aufgewühlte Seele. Was für ein wundervolles Aroma lag über der hellroten Flüssigkeit! Und was für ein zarter, intensiver Geschmack! So einen Wein hatte ich noch nie auf der Zunge gehabt. Es kribbelte im Bauch und ich wußte, daß ich bereits nach einigen Schlucken unsterblich verliebt war. Ich schaute mir das Etikett nocheinmal an. Es sah schon längst nicht mehr so furchtbar aus; und ich las: „Martinez Lacuesta Reserva Especial 1959“. Dies schrieb ich mit Kugelschreiber auf eine Papierserviette und steckte sie in meine Brieftasche. Wie der Seifenduft im Bad meiner Großmutter, oder die Gerüche auf der Dorfpromenade, wurde der Duft eines alten Rioja-Weins zum Synonym für sinnliche Erfahrung in Spanien. Später erfuhr ich, daß „Oloroso“, der Duftende, ein Wein heißt, der in Andalusien hergestellt und von dort in alle Welt exportiert wird. Wie flüssiger Bernstein sieht er aus und seinem Bukett entströmen Mandel-, Walnuß-, Feigen-Orangen-, Kräuter- sowie Zimt- und Nelkenaromen – fast eine Quintessenz aller spanischen Düfte.
Peter Hilgard
Dies war die versprochene Fortsetzung zur letzten Eintragung. Auch sie entstammt dem Buchprojekt „Spanische Leidenschaften“, von dem ich hoffe, daß es 2004 endlich realisiert werden kann.
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Etwas über uns … Im Blog "Spaniens Weinwelten" hat der Journalist und Weinkritiker Thomas Götz unter dem Titel „Los Barrancos – der Wein, der Vogel und die schönen Künste“ unser „Vogel-Projekt“ sachkundig beschrieben und kommentiert.
Und hier "Spanischer Biowein, Buchlesung und Kaminfeuer auf Langeoog“ finden Sie zusätzliche Informationen über unsere Aktivitäten.
Kreativität und Wein
In meinem „önosophischen Blog“ widme ich mich im weitesten Sinne kulturellen Themen und dies, obwohl der aus dem Griechischen abgeleitete Begriff „Önosophie“ eigentlich nur die „Weisheit vom Wein“ bedeutet. Wie der Wein selbst können auch die Gedanken eines Weingeniessers gelegentlich in ein breiteres zivilisatorisches Umfeld geraten und Bereiche wie die Musik, die Philosophie, die bildende Kunst, die Literatur und auch die Gesellschaftspolitik umfassen. Dieses Spektrum versuchen die unterschiedlichen Thematiken meiner Beiträge auszudrücken, wobei mir der Wein gelegentlich schöpferisch zu Hilfe kommt.
Wein trinken und genießen ist etwas Emotionales, und im Wein kann der Künstler Inspiration finden. Keiner hat dies schöner und treffender ausgedrückt als Shakespeare in seinem "König Heinrich der Vierte" (2. Teil, 4. Aufzug, 3. Szene) , wo er den lebensfrohen Falstaff in der Übersetzung der beiden Schlegels ausrufen lässt:
(Der Wein) „steigt Euch in das Gehirn, zerteilt da alle albernen und rohen Dünste, die es umgeben, macht es sinnig, schnell und erfinderisch, voll von behenden, feurigen und ergötzlichen Bildern; wenn diese dann der Stimme, der Zunge, überliefert werden, was ihre Geburt ist, so wird vortrefflicher Witz daraus".
Vortrefflicher Witz können natürlich auch die schönen Farben und Formen des Malers oder Bildhauers bzw. die spannenden Klänge des Musikers sein. „Vortrefflichen Witz“ hat auch Antonio Machado, Spaniens bedeutendster Lyriker des 20. Jahrhunderts mit einem wunderschönen, schnörkellosen Gedicht zustande gebracht (meine holprige Übersetzung bitte ich zu entschuldigen):
Un vino risueño me dijo el camino
Yo escucho los áureos consejos del vino
Que el vino es a veces escala de ensueño.
Abril y la noche y el vino risueño
Cantaron en coro su salmo de amor
Ein lächelnder Wein wies mir den Weg
Ich vernahm seine goldenen Ratschläge
Denn der Wein ist manchmal eine Stufe zu den Träumen.
Der April, die Nacht und der lächelnde Wein
Sangen gemeinsam ihren Psalm der Liebe
Ich hoffe, dass Sie Freude an meinem Blog und an unserer kleinen und exklusiven Auswahl spanischer Weine haben.
Peter Hilgard
Wir meinen, Wein ist eine Kultur des moderaten Genusses
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