
Schönheit im zoologischen Alltag: Der Kleine Kurier Schmetterling (Heliconius erato). Foto: Pixabay
Die Geburt eines Schmetterlings ist zoologisch ein kleines Weltwunder: aus einer ästhetisch wenig ansprechenden Raupe entsteht eines der schönsten Lebewesen unserer Natur. Wissenschaftlich nennt man diesen Vorgang „Metamorphose“, ein Begriff, der in unserer Sprache auch für die geistige Wandlung eines Menschen durch eine entsprechende Erkenntnis benutzt wird. Vom armen Wurm zum leuchtenden, in Schönheit strahlenden Wesen, diesen Weg der Erneuerung wollen wir alle irgendwann in unserem Leben einmal gehen und daher haben wir den Schmetterling zum Gleichnis für die Seele auserkoren. Im antiken Griechenland, der Wiege unserer Kultur, bedeutete das Wort „psyche“ sowohl Schmetterling als auch Seele. In einigen Kulturen, einschließlich unserer christlich-jüdischen, gibt es eine Mystik, die annimmt, dass sich die Seele eines Verstorbenen in einen Schmetterling verwandelt und so eine Brücke zwischen der Welt der Lebenden und der Toten bildet. Ich erinnere mich in einem der vielen besuchten Museen einmal ein Gemälde gesehen zu haben, auf dem ein Schmetterling in der Hand des Jesuskindes dargestellt war.
Der „Schmetterling“ ist eigentlich ein Überbegriff, in seinem letzten Entwicklungsstadium nennt man ihn auch einen „Falter“. Dieser entsteht aus dem abgelegten Ei, wird zur Raupe, die sich einpuppt und schließlich als flatternder, bunter Falter den Sommer verschönert. Dieser komplexe Vorgang seiner biologischen Verwandlung hat das kleine Insekt zu einer wahren Ikone der Symbolik gemacht. Die kurz dargestellte Metamorphose wird oft als Metapher für die Verwandlung und spirituelle Neuausrichtung der Seele gesehen. Auch kann der Schmetterling als Bote oder Überbringer von Botschaften aus der geistigen Welt oder als Zeichen von geliebten, verstorbenen Menschen gesehen werden. In der chinesischen Mythologie ist der Schmetterling zusammen mit der Chrysantheme ein Zeichen für Schönheit im Alter und Langlebigkeit. Dagegen erkennt man in Japan im Schmetterling eher die negativen Eigenschaften eines eitlen Weibes oder eines wankelmütigen Liebhabers.
Bei der Anmut und Leichtigkeit ihres Seins ist es keine Überraschung, dass Schmetterlinge auch ihren Weg in die klassische Musik gefunden haben. Dabei fällt mir sofort Wolfgang Amadeus Mozarts (1756 -1792) Gassenhauer „Non più andrai, farfallone amoroso“ (deutsch: Geh nicht weiter, verliebter Schmetterling. Als Opernlibretto: „Nun vergiss leises Flehen., süßes Kosen…“) der Arie des Figaro am Ende des ersten Akts von „Figaros Hochzeit“, in der das fröhliche Flügelschlagen lautmalerisch genial verarbeitet ist. In dem Klavierstück „Papillons Op. 2“ hat sich auch Robert Schumann (1810 – 1856) der Erscheinung der Schmetterlinge kompositorisch bedient und hat in diesem Klavierzyklus von zwölf sehr kurzen Charakterstücken die einzelnen Szenen gleichsam mit flatternden Schmetterlingen verbunden; dabei hat er auf seine ganz besondere Art noch weitere z. T. auch melancholische und bedeutungsvolle Themen angesprochen. In Sergej Rachmaninoffs (1873 -1943) Etüden wird man gelegentlich an die schlagenden Flügel der Schmetterlinge erinnert. Fast immer übertragen die Komponisten das leichte, unvorhersehbare Flügelflattern musikalisch in Triller, schnelle Tonfolgen oder Tremolos (z. B. Flatterzungen bei Blasinstrumenten). So wird das Zarte und Spontane des Schmetterlings klanglich nachvollziehbar. Kinderlieder, die den kleinen bunt geflügelten Insekten huldigen, sind naturgemäß wesentlich einfacher gestrickt; in ihnen wird der Bezug auf den Schmetterling im Text hergestellt, wie. z.B. „bunter Schmetterling flieg hin und her!“, „Die Raupe wär so gern ein Schmetterling“ oder „Schmetterling, du kleines Ding“.
Zum Abschluss meines kleinen Ausfluges zu den Schmetterlingen, die ich übrigens persönlich wegen all der hier dargelegten Eigenschaften ebenfalls tief bewundere und liebe, möchte ich noch einen anderen, verwandten Aspekt beleuchten. Es ist ja längst bekannt, dass es zwischen Bauch und der Psyche eine enge Verbindung gibt. Wir reden von „Bauchgefühl“ wenn wir „Intuition“ meinen und treffen Entscheidungen „aus dem Bauch heraus“ wenn sie schnell, ohne viel nachzudenken, getroffen werden müssen. Der Bauch wird seit alters als Sitz des Lebens angesehen, wohl weil er sich in der Mitte des Körpers befindet. Ist es dann zu weit hergeholt, wenn man annimmt, dass auch die Seele dort einen Platz hat? Tatsächlich ist die Beziehung zwischen Bauch und Seele keine neue Erkenntnis. Traditionell wird der Darm ja als „zusätzliches Gehirn“ betrachtet, da er über ein eigenes Nervensystem verfügt, das mit dem Gehirn kommuniziert und Botenstoffe produziert, die auch im Gehirn aktiv werden können. Vermutlich hat jeder Mensch schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Emotionen wie Stress, Angst oder Freude sich als Unwohlsein im Bauchraum manifestieren können. Eine in ihrer Zeit recht populäre amerikanische Schriftstellerin schrieb am Beginn des 20. Jahrhunderts (1908) als Erste von „butterflies in the stomach“, eine Phrase, die sich im deutschen Sprachraum als „Schmetterlinge im Bauch“ rasch ausgebreitet hat. Diese Redewendung verbindet also zwei Erscheinungen der Seele, nämlich eine in Form des Schmetterlings und eine andere in Form des Bauches und bezeichnet damit ein Kribbeln im Magen, das man oft empfindet, wenn man verliebt oder aufgeregt ist. Wahrscheinlich hat die Autorin nicht so weit gedacht, sondern tatsächlich nur das Flügelflattern der wunderschönen Tiere im Magen als Metapher fürs intestinale Liebesprickeln genommen. In so einem Augenblick beherbergt der Bauch vermutlich tatsächlich zwei Seelen!
Bleiben Sie stets neugierig …und genussvoll durstig!


