Ein großartiger Monet in der Berner Sammlung Gurlitt

Das Kunstmuseum Bern: die neue Heimat der Sammlung Gurlitt

Kunstfreunde erinnern sich vermutlich noch sehr genau an den November 2013 und an die Aufregung der Medien über den sog. „Schwabinger Kunstfund“. Bereits zwei Jahre vorher, im Jahr 2011 hatten Beamte wegen des dringenden Verdachtes auf ein Steuer-Vergehen  in der Wohnung des damals schon fast 80-jährigen Cornelius Gurlitt  über 1.200 Kunstwerke entdeckt. Erst ein detaillierter Bericht im „Focus“ machte die Kunstsammlung in der Öffentlichkeit bekannt. Schnell wurde deutlich, dass es sich dabei um unbeschreibliche Werte handelte, die größtenteils aus dem Nachlass des Vaters , dem einst angesehenen Kunstexperten und -händler Hildebrand Gurlitt (1895 – 1956), stammten. Da dieser u.a. in großem Stil die in der Nazi-Zeit als „entartete Kunst“ diffamierten Bilder ins Ausland verkaufte und gleichzeitig Einkäufer für Hitlers Linzer Kunstmuseum war, musste man annehmen, dass sich in seiner vererbten Sammlung etliches an „Nazi-Raubkunst“ befand. Somit stellte sich die Frage nach der Herkunft der einzelnen Werke, die sich jetzt im Besitz des Sohnes, Cornelius Gurlitt, befanden. Als dieser im Mai 2014 im München starb hatte er seine gesamte Kunstsammlung dem Kunstmuseum Bern testamentarisch vermacht. Nach Meinung des Oberlandesgerichtes München war, trotz des vermeintlich reduzierten Geisteszustandes des Erblassers,  dieses Testament gültig und damit obliegt es nun dem Schweizer Museum sich um die  Provenienz (Herkunftsgeschichte) der fraglichen Bilder zu kümmern.

Die „Provenienzforschung“ ist eine sehr mühsame Disziplin, die nach dem Kunst-Raubbau im Dritten Reich erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Die Frage nach der Herkunft problembehafteter Museumsankäufe bzw. Schenkungen musste immer häufiger beantwortet werden. Die Provenienzforschung versucht u. a. herauszufinden, ob es sich bei Kunstwerken möglicherweise um „Raubkunst“ handelt, die von den Nazis unrechtmäßig beschlagnahmt wurden bzw. ob diese von ihren, meist jüdischen, Besitzern zwangsweise verkauft werden mussten. In vielen Fällen gibt es keinerlei Dokumente mehr, die auf die ursprünglichen Eigentümer hinweisen und so müssen die Provenienzforscher mit kriminalistischem Spürsinn an die Arbeit gehen. Das unerwartete Auftauchen der Sammlung Gurlitt  hat viel in Bewegung und die Provenienzforschung in das öffentliche Interesse gebracht. Viele Millionen aus Steuergeld sind in die Aufklärung der Herkunft einzelner Bilder aus der „Schwabinger Kunstsammlung“ geflossen. War das gut angelegtes Geld? Wenn man liest, dass von den insgesamt 1.590 Kunstwerken Gurlitts bislang nur neun als Nazi-Raubkunst identifiziert und nur sechs davon wieder an die Besitzer-Familien zurückgegeben werden konnten, erscheint der Aufwand das sehr magere Ergebnis um ein Vielfaches zu überschreiten. Man könnte sich viele Alternativen vorstellen, wie man den Gegenwert der geraubten Bilder der Kunst effektiver zu Gute kommen lassen und nationales Kulturgut, was die Sammlung Gurlitt zweifelsfrei ist, der Allgemeinheit zur Erbauung, zum Vergnügen und zur Erziehung zugängig machen könnte. Die Frage sei erlaubt: ist Quellenforschung auf jeden Fall gerechtfertigt und wann verjährt der Anspruch von Angehörigen auf Rückgabe eines in der Vergangenheit von einem Vorfahren unrechtmäßig erworbenen Kunstwerks?

In der Vorstellung etwas Substantielles von Gurlitts Schätzen zu sehen bin ich ins Kunstmuseum Bern gefahren, wurde dort aber ein wenig enttäuscht, denn gerade einmal fünf Objekte aus dem „Legat Cornelius Gurlitt“ waren ausgestellt: drei Skulpturen (Kauernde von 1880, Karyatide mit Urne von 1883 und Danaide von 1885) von Auguste Rodin (1840 – 1917), Gustave Courbets (1819 – 1877) Ölgemälde  „La Villageoise au chevreau“ und das großartige Bild Claude Monets (1840 – 1926) „Waterloo Bridge, temps gris“. Das Ölbild hat Monet in seinem Hotelzimmer im 5. Stock des Savoy Hotels gleich mehrfach gemalt. Von dort aus hatte er nämlich den dargestellten Blick auf die Waterloo Brücke. Obwohl das Wetter in den Tagen seines London-Besuchs 1903 typisch für die Stadt an der Themse war, nämlich neblig, feucht und fürchterlich schmutzig-rußig mit dem Geruch von verbrannter Kohle in der Luft, bringt Monet zaghafte Farben in das Bild. Auf eine magische Art erscheinen mitten im alles beherrschenden Grau Töne von Lila und zartem Rosa! Auf der anderen Seite des Flusses, im Hintergrund, erkennt man die Fabriken mit rauchenden Schlöten, man spürt regelrecht wie sie die Atmosphäre verpesten. Es ist das London der Agatha Christie oder des Sherlock Holmes, in dessen dichtem Nebel Verbrechen geschehen und Beamte von Scotland Yard die fast unsichtbaren Bösewichte durch die Straßen jagen. Vielleicht ist ja eines dieser Strichmännchen auf der von Monet dargestellten Brücke ein Gejagter, oder ist es gar einer der Passagiere auf dem unter der Brücke hindurch fahrenden Boot? Das Bild ist, trotz des trostlosen Wetters auf ihm, so voller Leben, man hört, durch den Nebel akustisch deutlich gedämpft, die Kutschen auf dem Pflaster der Brücke poltern, das Schnalzen der Peitschen mit denen die Pferde angetrieben werden und die Schreie und Rufe der Kinder. Mir scheint, dass alleine das Eintauchen in dieses eine Bild von Claude Monet die Reise nach Bern schon überaus lohnenswert gemacht hat.

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