Ökologischer Rebbau: bald am Ende?

In Mitteleuropa zu viele davon: Regenwolken

Man muss sich nur vergegenwärtigen wo der Wein herkommt um zu verstehen, dass er es im Norden Europas nicht leicht haben kann. In prähistorischer Zeit kelterten die Kaukasus-Bewohner irgendwo zwischen dem heutigen Georgien, Aserbaidschan und dem Irak den ersten Wein.  Zwar wissen wir nichts Genaues über das Klima in diesen Gegenden vor etwa 5.000 Jahren, aber eins dürfte klar sein: es war vermutlich wärmer als heute in Mitteleuropa. Die Existenz der Wüsten im Nahen Osten legt auch nahe, dass es dort Jahrtausende lang wenig geregnet hat. Wärme und geringe Feuchtigkeit schienen die Rebstöcke offenbar zu lieben. Was sie heute in unseren Breitengraden vorfinden ist ziemlich genau das Gegenteil: relative Kühle und viel Regen. Die Konsequenzen dieser Umstände sind langsame Reifung und die Anwesenheit vieler Schädlinge im Rebgarten. Um überhaupt Weinbau betreiben zu können waren die Winzer auf schnell reifende Sorten und Schädlingsbekämpfung angewiesen. Der gegenwärtige, globale Klimawandel hin zu wärmeren Temperaturen und weniger Feuchtigkeit begünstigt neuerdings die mitteleuropäischen Weinbauern. Darüber könnten sich eigentlich ganz besonders die Öko-Weinmacher freuen, wären da nicht ganz andere und wesentlich bedrohlichere Szenarien.

Ökologischer Rebbau und die Herstellung von Öko-Wein war die Antwort umweltbewusster Winzer auf die sich zunehmend verschlechternde Ökobilanz im europäischen Weinbau. Durch den langjährigen Gebrauch von Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln sind die Böden sehr vieler Rebanlagen praktisch abgestorben. Wer konnte da guten Gewissens noch von „terroir“ sprechen? Im Endprodukt, dem Wein, fanden sich auch entsprechend oft Chemikalienrückstände. Durch die Beschränkung auf ein paar wenige Komponenten, wie Kupfer und kolloidalen Schwefel zur Schädlingsbekämpfung und die sparsame Verwendung von natürlichem Dünger tierischen Ursprungs hofften Ökowinzer das Produkt zu verbessern und gleichzeitig die Umwelt zu schonen.

Im frühen Sommer 2016 hat der Regen allen derartigen Bemühungen in Deutschland einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Falsche Mehltau, eine Pilzerkrankung, lehrte den Öko-Weinbauern das Fürchten. Die althergebrachte „Bordelaiser Brühe“, eine Suspension von gebranntem Kalk und Kupfersulfat, die Ende des 19. Jahrhunderts als Fungizit (Anti-Pilzmittel) an der Gironde entwickelt wurde, wurde der Plage nicht mehr Herr. Im konventionellen Rebbau wird mit großem Erfolg das Kaliumphosphonat eingesetzt, dieses verlor aber 2013 die europäische Zulassung für den ökologischen Rebbau und steht dem Öko-Winzer nicht mehr zur Verfügung. Das viel diskutierte Glyphosat von Monsanto, im „normalen“ Rebbau auch großflächig gespritzt, ist ebensowenig zugelassen.

Die Öko-Weinbauern blieben buchstäblich im Regen stehen. Erhebliche Einbußen bei der Lese oder gar ein Totalausfall waren dieses Jahr in Deutschland an der Tagesordnung. Trotz vieler positiver Gutachten scheint eine Wiederzulassung von Kaliumphosphonat in weiter Ferne, denn nicht nur eine Brüssler EU- Expertengruppe ist dagegen auch viele südeuropäische Öko-Verbände versuchen dies zu verhindern, da das Problem des falschen Mehltaus in ihren Ländern aufgrund des trockneren Klimas so gut wie nicht vorkommt und sich mit einem europaweitem Verbot der Chemikalie Konkurrenz aus dem Norden vom Hals halten lässt. Sehr viele deutsche Ökowinzer stehen jetzt vor der Wahl entweder mit der jährlichen Unsicherheit weiter zu leben und für allfällige Ausfälle finanziell vorzusorgen, oder auf konventionellen Rebbau umzustellen, bzw. das Geschäft komplett aufzugeben. Alle drei Möglichkeiten sind keine schönen Perspektiven und verunsichern die Liebhaber von deutschen Ökoweinen. Ist das der Weg zum endgültigen Ende einer in unseren Breitengraden von Anfang an fragwürdigen Unternehmung namens ökologischer Rebbau?

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