Zucker im Wein: Geschmack und Medizin

Kürzlich habe ich von den „Wein-Trends“ gesprochen und ich glaube, dass sich – zumindest bei Weißweinen – in Deutschland gerade eine Wandlung hin zur Bevorzugung von „restsüßen“ Weinen vollzieht. Unter Restzucker versteht man die Menge an unvergorenem Zucker im Wein nach Abschluss der Gärung (ausgedrückt in Gramm pro Liter, g/l). Mancher Weinfreund wundert sich, dass bei diesen restsüßen Weinen dann noch „trocken“ auf dem Etikett vermerkt ist. Das kann völlig in Ordnung sein, denn das Weingesetz sieht vor, dass die Grenze für Bezeichnung „trocken“ bei 7,0 g/l Restzucker liegt bzw. bei maximal 9 g /l, wenn die Gesamtsäure höchstens 2 g/l  niedriger ist. (Beispiel: ein Wein mit 9 g/l Zucker muss auf jeden Fall 7 g/l Säure haben wenn er als trocken gelten soll). Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der spanischen Weinkultur kaum Restsüße. Die Weine sind traditionell durchgegoren, d.h. der Restzucker liegt bei Weiß- und Rotweinen so gut wie immer deutlich unter 5 g/l.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum zu glauben Süße im Wein sei immer durch Restzucker verursacht. Oft findet man, dass die Analysenwerte überhaupt nicht mit der Geschmackswahrnehmung übereinstimmen. Neben der Säure, die den Zucker geschmacklich „neutralisieren“ kann (d.h. bei niedriger Säure kann auch ein niedriger Restzuckergehalt noch süss schmecken), können auch der Alkohol und das bei der Gärung entstehende Glycerin zur geschmacklichen Süße beitragen. Auch reife Tannine und hohe Extraktwerte geben dem Wein einen süßen Charakter. Umgekehrt können durch sog. Polymerisation von Zuckermolekülen bei der Flaschenreifung ursprünglich süße Weine ihren Süßcharakter verlieren.

Neben den geschmacklichen Aspekten des Restzuckers gibt es noch medizinische Gesichtspunkte, die einer Betrachtung wert sind. Die Süße der Trauben setzt sich aus gleichen Anteilen der Zucker Glukose (Traubenzucker) und Fruktose (Fruchtzucker) zusammen. Beide Moleküle sehen sich chemisch sehr ähnlich, verfügen aber über einige wesentliche Unterschiede: Fruktose ist deutlich süsser pro Gewichtseinheit und wird im Körper zu einem Teil unabhängig vom Insulin abgebaut (daher galt Fruktose auch als Austauschstoff für Zucker in der Diät für Diabetiker. Dem wurde allerdings vom Bundesinstitut für Risikowertung – BfR – deutlich widersprochen). Auch gegenüber den Gärhefen (streptomyces cervisiae) verhalten sich die beiden Zucker unterschiedlich: Zunächst wird die Glucose in Alkohol umgesetzt und erst am Ende des Prozesses die Fruktose. Wenn also die Gärung zur Erzeugung von Süsswein gestoppt wird (sei es durch Abkühlung, durch Schwefel oder durch Zugabe von Alkohol) bleibt fast nur noch Fruktose im Wein. Dies sind gute Nachrichten für Diabetiker, denn sie dürfen (sehr in Maßen!) Süßwein genießen ohne Insulin spritzen zu müssen!

Fruktose hat aber leider noch ein Problem, denn es gibt Menschen mit sog. „Fruktoseintoleranz“. Bei diesen ist der Transport des Fruktosemoleküls im Körper gestört. Dadurch bleibt die Fruktose im Dünndarm, wohin sie über die Nahrungsaufnahme gelangt, kommt schließlich in den Dickdarm und wird dort durch Bakterien abgebaut. Dabei entstehen Gase, die u. U. erhebliche Beschwerden in Form von Blähungen oder Durchfall bewirken können. Das Beschwerdebild ähnelt der Laktoseintoleranz nach dem Genuss von Milchprodukten und tritt nach dem Essen von Obst auf, und bei manchen Menschen eben auch nach dem Genuss von Süßweinen.

 

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