Wenig Objektivität bei der Weinbeurteilung in ungewohntem Licht

Jeder dieser Weine schmeckt anders - und nochmals anders bei farbiger Beleuchtung

Jeder dieser Burgunder schmeckt anders – und nochmals anders bei farbiger Beleuchtung

Es wird niemanden wirklich verwundern, dass das Ambiente, in dem ein Wein genossen wird, eine erhebliche Rolle für die Qualität des Genusses spielt. Ein festlich gedeckter Tisch mit schönen Gläsern steigert die Erwartungshaltung. Aber auch stimmungsvolle Weinkeller in Kellereien, in denen womöglich Jahrhunderte alter Moder das Gefühl von Ewigkeit vermittelt, kann die Identifikation mit dem Inhalt des Glases fördern. Jeder Weingenießer wird sich ohne Schwierigkeiten ein Ambiente vorstellen können, in dem er seine besondere Stimulation bekommt Wein zu genießen. Das kann das Bistro um die Ecke, ein plüschiges Schlafzimmer, ein Picknick im Walde oder ein Frühschoppen in einem Ruderboot sein. Der Phantasie sind da überhaupt keine Grenzen gesetzt.

In einem kürzlich erschienen Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ (8.10.2012) hat die Journalistin Andrea Rost über eine Weinverkostung im s. g. Farbraum in der Weinerlebniswelt Fritz Allendorf im Rheingau berichtet. Offensichtlich ist es an diesem Ort möglich die Farbe des Raumlichtes innerhalb kürzester Zeit zu verändern. Die Verkostung begann zunächst in einer normal hellen Beleuchtung. Der Riesling roch comme il faut: „Aroma von Limetten und grünen Äpfeln“. Plötzlich ist der Raum in tiefrotes Licht getaucht und der gleiche Wein duftet jetzt nach „Johannisbeeren und Kirschen“, in gelben Licht wirkt der Wein „gehaltvoller und kräftiger“, bei blauem Licht meint die Autorin gar eine „Weißweinschorle“ vor sich zu haben. Andrea Rost beschreibt ihre Duftwahrnehmungen sehr authentisch und deshalb sind sie glaubhaft.

Die Subjektivität der sensorischen Wahrnehmung des Weingenusses lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass das Erlebnis Weingenuss eine außerordentlich komplexe und multifaktorielle Angelegenheit ist und von sehr vielen äußeren Faktoren abhängt. Vermutlich liegt man nicht ganz falsch, wenn man die Objektivierbarkeit der sensorischen Qualität von Weinen grundsätzlich in Frage stellt. Dies ist natürlich keine neue Einsicht, denn im Grunde ist sie im Sprichwort „über Geschmack lässt sich trefflich streiten” schon zur Volksweisheit geworden. Der Weinfreund muss sich dieser Zusammenhänge nur sehr bewusst sein, wenn er sich ein eigenes Urteil über einen Wein bilden möchte, jenseits aller professioneller Weinkritik oder gar Reklame bzw. Werbung. Wie sensibel sich die individuelle Urteilskraft verändert zeigt das obige Beispiel der Raumfarben!

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