Der Wein in der Dichtung

Anakreons Verse zeichneten sich durch Schönheit, Eleganz und feine Erotik aus. Immer wieder huldigte er darin der Liebe, dem Wein und der von ihm hochverehrten Rosenblüte. Eine ganze Stilrichtung in der europäischen Literatur bezieht sich auf den griechischen Dichter: die Anakreontik. Sie war im Rokoko besonders beliebt und fand damals auch ein Pendant in der Malerei, deren ständig wiederkehrende Themen ebenfalls Geselligkeit, Liebe, Natur und Wein waren. Bedeutende Vertreter der literarischen Anakreontik waren u.a. der junge Goethe, Lessing, Schiller und Mörike. Ich möchte hier gerne ein Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing vorstellen, in dem er sehr humorvoll den antiken Dichter und seine anmutigen Reime über die Liebe und den Wein besingt.

Anakreon trank, liebte, scherzte,
Anakreon trank, spielte, herzte,
Anakreon trank, schlief, und träumte
Was sich zu Wein und Liebe reimte,
Und hieß mit Recht der Weise.

Wir Brüder trinken, lieben, scherzen,
Wir Brüder trinken, spielen, herzen,
Wir Brüder trinken, schlafen, träumen
Wozu sich Wein und Liebe reimen,
Und heißen nicht die Weisen.

Lessing ist in diesem Gedicht offenbar der Auffassung, dass uns armen Trinkern die göttliche Einsicht in die Mysterien von Wein und Liebe fehlt. Er zeichnet damit aber auch die Perspektive auf, dass wir durch Wein und Liebe zu einer grösseren Weisheit gelangen können. Ein sehr schöner Gedanke!

 

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