Spanische Suppe – die Mutter aller Suppen

Die „adafina“, eine Art Eintopf, war bei den sefardischen (spanischen) Juden das klassische Gericht für den Sabbat. In seiner einfachsten Form bestand es aus  koscherem Lamm- oder Zickleinfleisch. Dies wurde in  Würfel geschnitten und in einem feuerfesten  Tontopf mit reichlich Olivenöl, kleingeschnittenen  Zwiebeln, Knoblauch, Salz und aromatischen Kräutern wie  Thymian, Lorbeer und Majoran über einer glühenden  Feuerstelle drei bis vier Stunden langsam geschmort. Danach gab man noch etwas Safran und Brühe dazu und stellte es auf  eine Kohlefeuerstelle, die die Nacht über weiterglühte und so das Essen bis zu nächsten Mittag warm hielt. Das  Geheimnis des weit über die spanischen Grenzen besungenen Wohlgeschmacks dieses Gerichtes lag in der  ausserordentlich langen Garzeit bei kleiner Hitze, üblicherweise eben von Freitag Abend bis Samstag Mittag. Die „adafina“ der reichen Juden enthielt noch wesentlich mehr Zutaten. Neben Kicherebsen, Nudeln und harten Eiern wurden ihr Kalbfleisch, Hühnchen und gelegentlich Dörrobst in Form von getrockneten Aprikosen oder Pflaumen, zugefügt.  Viele der „conversos“ (konvertiten) haben, um die Ehrlichkeit ihres Glaubenswechsels auch äusserlich zu dokumentieren, die „adafina“ mit  Schweinefett und Schweinefleisch zubereitet, was den gläubigen Juden natürlich verboten war. Da diesen auch streng untersagt war Blut zu essen haben übereifrige Conversos „morcilla“, eine gewürzte  Blutwurst in die „adafina“ gegeben. Schliesslich hat sich  dieses wohlschmeckende Gericht im christlichen  kastilischen Spanien als „cocido“ durchgesetzt und ist zu  einer nationalen, rustikalen Delikatesse avanciert von der  kaum jemand weiß, daß sie jüdischen Ursprungs ist. „El  tocino ha hecho cristianos a muchos moros y judios, por lo  muy sabroso que es.“ (Der Speck hat aus manchem Mauren oder Juden einen Christen gemacht, weil er so schmackhaft  ist.) Dieses alte Sprichwort entstammt wohl eher der christlichen Propaganda als einer tatsächlichen Einsicht der Mauren und der Juden. Die Art wie die „adafina“ serviert wurde hat sich  auch beim heutigen „cocido“ erhalten: zunächst nahm man als ersten  Gang die Flüssigkeit wie eine Suppe zu sich, danach  folgten die Kichererbsen und die Gemüse die mitgekocht  wurden und schliesslich servierte man als dritten Gang das Fleisch.

Die Entwicklung der „adafina“ erschöpft sich aber noch lange nicht im spanischen „cocido“. Aus ihr wurde eines der berühmtesten und begehrtesten Gerichte an den europäischen Höfen der Barockzeit. Die „Spanische Suppe“ wurde geradezu eine multikulturelle Angelegenheit, und ist es bis ins frühe 20. Jahrhundert geblieben. Das Großartige an ihr war, daß sie sich jedem Zeitgeschmack anpassen konnte und, je nach den verwandten Ingredienzen,  sowohl zum Familienessen mit regionalem Charakter als auch zum höfischen Festmahl taugte. „Olla podrida“ war die magische Beschreibung dieses Eintopfes von dem schon Sancho im Don Quijote schwärmte. Vom Tisch spanischer Juden ausgehend machte dieses Gericht eine beispielhafte Karriere, bis es schliesslich auf den Tafeln der Fürsten und Könige landete.Bestimmend für den Charakter ist die unglaubliche Menge an  Zutaten und eine sehr lange Kochzeit in großen dickwandigen Gefässen, die man auf spanisch „olla“ nannte. „Podrida“ bedeutet sinngemäß „zermatscht“ oder „homogenisiert“ und beschreibt den weichgekochten Inhalt des Gefässes. Die Zubereitung der höfischen Olla podrida setzte ein große Zahl von Gästen voraus. Für weniger als zwanzig oder dreissig Personen konnte die Spanische Suppe nicht sinnvoll zubereitet werden. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass die Olla podrida schon frühzeitig ein besonderes Mahl entweder für herrschaftliche Haushalte oder für bäuerliche Großfamilien war.

Marx Rumpold,“Churfürstlich Meinitzer Mundtkoch“, veröffentlichte 1581 in Frankfurt am Main das erste gedruckte Kochbuch in deutscher Sprache. Er war ungarischer Abstammung und arbeitete als Koch lange Jahre am Hofe des Habsburger-Kaisers Ferdinand in Wien. Ferdinand war der Bruder Karls V. und in Spanien aufgewachsen. Als er nach Öserreich kam sprach er kein Deutsch und versammelte deshalb um sich einen mehr oder weniger spanischen Hofstaaat. Spanische Kultur gewann großen Einfluß, auch in den Kochtöpfen der Donau-Monrchie. So kam es, daß Rumpold zum Schöpfer der aufwendigsten Spanischen Suppe, die es wohl jemals gab, wurde. Seine „Hollapotrida“ hatte wahrhaft kaiserliche Dimensionen: sie enthielt genau 90 Zutaten. Dies waren u.a. Schweineinnereien, Kutteln, Rüben, Knoblauch, Kohl, Schaffüße, Ziegenfleisch, Rebhühner, Haselhühner, Fasan, Auerhahn, Truthahn, Birkhahn, Hirsch, Parmesankäse, Muskat, Ingwer, Safran, Gams, Steibock und Schnepfen. Noch bis ins frühe 20. Jahrhundert existierte in der Wiener Hofburg eine eigene Küche für die Spanische Suppe, die in großen Kesseln gekocht und in den späteren Jahren der Monarchie bei Bällen in Tassen serviert wurde. Mit der Monarchie verschwand auch die Spanische Suppe von den österreichischen Speisezetteln.

Beim französischen Hof hielt die Spanische Suppe zur Zeit des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV Einzug. Unter dem Namen „Pot d´oille“ erlangte sie ähnlichen Ruhm wie am österreichischen Kaiserhof. Die Franzosen waren es, die auch neue Gefässe für die große Suppe entwickelten. In französischen Museen gibt unendlich viele Beispiele von wertvollen Terrinen aus Porzellan, Steingut und sogar aus Silber, die als Pot-d´oille-Gefässe dienten. Alexandre Dumas Père hat ein Rezept der Oille „a la francais“ überliefert. Darin finden sich Rind, Kalb, Hammel, Schinken, Huhn, Ente, Täubchen, Rebhühner, Wachteln, Kopfsalat, Erbsen, Spargel, Karotten, Navets, Artischocken, grüne Bohnen, Gurkenfilets, Perlzwiebeln, Nelken, Macis und Muskat. Die Oppulenz des Barock ist schliesslich langsam aus der europäischen Küche verschwunden. Man reduzierte nicht nur die Gewürze und Zutaten sondern auch die Menge. Schliesslich ist aus dem Pot d`Oille die „Consommé“ geworden, einer Essenz der Aromen aus der „Spanischen Suppe“.

 

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