Spaniens Düfte

Als sich in Ermangelung nautischer Instrumente die Seefahrt noch mit vergleichsweise primitiven Mitteln orientieren mußte um die Position eines Schiffes inmitten des weiten Meeres zu bestimmen, da spielte der Geruchssinn eine nicht zu unterschätzende Rolle. Kapitäne, die mit ihren Handels- und Frachtschiffen bei Westwind durch das Mittelmeer in Richtung der Säulen des Herkules kreuzten, wußten schon Tage vorher, daß bald Land in Sicht sein würde. Der Wind trug die typischen Aromen Spaniens mit sich: würzige Kräuter wie Thymian, wilder Majoran und Rosmarin vermischt mit den mannigfaltigen, süßen Düften der blühenden Sierras. Das Aroma Spaniens war für die erfahrenen Seeleute unverwechselbar. So ist es noch heute. Wenn ich im Schatten der Berge von Montsant das karge „Priorato“ oder im Westen des Landes die Korkeichenwälder der Extremadura durchstreife, dann atme ich jene spanischen Düfte ein, die es auch in Andalusien, auf der Meseta und sonstwo im Lande gibt. Wer empfindlich für Wohlgerüche ist, dessen Nase befindet sich in Spanien ständig in Erregung.

Meine erste persönliche Begegnung mit spanischen Aromen fand als Kind im Badezimmer meiner Großmutter statt. Ich entdeckte ein Stück braune Seife mit einem fremdartig betörenden Geruch. Immer wieder habe ich mich hingeschlichen um an der Seife zu schnuppern. Mit Inbrunst habe ich die süßlich exotischen Düfte, die so viel Reinheit ausstrahlten, eingeatmet und jedesmal bekam ich einen Anflug von Gänsehaut. Diese Badbesuche wurden zu meinem ganz persönlichen Geheimnis wenn ich zu Besuch bei meinen Großeltern war. Vermutlich war dies auch meine erste, bewußte Geruchserfahrung, die mich vage ahnen ließ, was meine Sinne im Leben zu erwarten hatten. Irgentwann erfuhr ich dann etwas mehr über die Seife. Ich hatte gesehen wie meine Großmutter ein neues Stück auspackte und als ich mich unentdeckt wähnte, holte ich das Papier aus dem Abfalleimer. Ich hatte das kribbelnde Gefühl eines Voyeurs als ich die schwarz-rote Verpackung zwischen meinen Fingern hielt und auf ein wunderschönes Mädchen in fremdländischer Kleidung und einem ausgebreiteten Fächer in der Hand blickte. Dabei wurde ich ertappt und schliesslich gestand ich meine Liebe zu dem Geruch, der auch noch zart und verführerisch auf dem Papier lag. Damals erfuhr ich dann, daß dies spanische Seife sei. Das Mädchen, eine Maja, und der Duft hatten schon in jungen Jahren mein sinnliches Interesse für Spanien geweckt.

Peter Hilgard

Dies ist der Beginn eines neuen Buches über „Spanische Leidenschaften“, in dem der Wein aus Spanien eine bedeutende Rolle spielt. Mehr dazu später.

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