Bio-, Öko- und biodynamisch. Was sind die Unterschiede beim Wein?

Okologischer Rebbau: Cerro de la Retama (Bodega Los Barrancos) auf ca. 1.300 m.ü.M. in Andalusien.

Das Thema „Bioweine“ scheinen weder die Winzer, noch die Weinhändler und schon gar nicht die Konsumenten, leidenschaftslos diskutieren zu können. Im Folgenden will ich versuchen einige der Gründe für die verschiedenen kontroversen Argumente zu benennen. Das Präfix „Bio-“ (bios = griechisch: Leben) bezieht sich auf das Wort Biologie, was so viel wie die Lehre vom Lebendigen bedeutet und sowohl Mensch und Tier sowie die Pflanzenwelt einschließt. Das Adjektiv „biologisch“ bezeichnet entsprechend alles was zur Biologie gehört. Alleine diese kurze Etymologie des Wortes „biologisch“ entlarvt seine begriffliche Verschwommenheit und das Wort Biowein bleibt gar völlig inhaltsleer und darüber hinaus ein Pleonasmus, denn selbstverständlich ist jeder aus Weintrauben gekelterte Wein ein biologisches Produkt, also ein Bio-wein. Diese geringe Präzision des Begriffes hat ihn zur ideologischen Spielwiese von Natur-Aposteln und deren Jünger werden lassen. Bei nüchterner Betrachtung kann man allerdings feststellen, dass im heutigen Sprachgebrauch „biologisch“ bei Nahrungsmitteln meist mit „ökologisch“ gleichgesetzt wird. Die Regeln für ökologischen Landbau (einschl. Rebbau) sind durch entsprechende Institutionen genau festgelegt und ihre Einhaltung kann europaweit durch diese sogar zertifiziert werden.

Dem zertifizierten Biowein, auch synonym Ökowein genannt, steht der Wein aus konventionellem Rebbau gegenüber, dieser ist die Grundlage des Weinbaus, wie er – unter zu Zuhilfenahme von technischen und chemischen Hilfsprodukten – üblicherweise betrieben wurde und heute noch wird. Allerdings sind die Grenzen zwischen den beiden Arten Weinbau zu betreiben oft sehr fließend. Auch die konventionellen Winzer versuchen nämlich, nicht aus weltanschaulichen sondern aus rein ökonomischen Beweggründen, den Gebrauch von Fungiziden sowie Pestiziden und Kunstdünger einzuschränken. Die Arbeit im Rebgarten wird vom Biowinzer deutlich intensiver betrieben während in der Kellertechnik die Unterschiede zwischen „normal“ und „Öko“ (bzw. „Bio“) eher gering sind und vorwiegend die Obergrenzen beim Gebrauch von Sulfiten (Schwefel) und anderen Zusatzstoffen betreffen. Über die besondere Spielart des Veganismus habe ich an dieser Stelle bereits berichtet. Eigentlich sollte es keine wesentlichen Dissensen zwischen konventionellen und Biowinzern geben, denn beide wollen schließlich das Gleiche, nämlich den besten Wein machen!

Etwas anders liegen die Verhältnisse beim sog. „biodynamischen“ Weinbau. In dem Adjektiv liegt neben bios das ebenfalls griechische dynamis, was (innere)  Kraft und Bewegung bedeutet. Damit sind Sinn und Ziel der Biodynamik eigentlich schon beschrieben: der Winzer sollte die (kosmische) Kraft und die Bewegung (Rhythmus)  der Natur für den Weinbau nutzen. Ausgangspunkt dieser Vorstellung ist die spirituelle Weltsicht Rudolf Steiners (1861 -1925), die sog. Anthroposophie. Die anthroposophische  Lehre erstreckt sich in viele Lebensbereiche hinein, wie z. B. die Pädagogik (Waldorf-Schulen), die Medizin (Krebstherapie mit Mistelextrakten) und die Landwirtschaft (Biodynamik) sowie in noch andere Lebensbereiche.  Obwohl die Steinerschen Theorien zur Biodynamischen Landwirtschaft sehr komplex und eher esoterisch sind, haben sie bei Winzern im In- und Ausland neuerdings viel Beachtung bekommen.

Der tiefe Kern in der Überzeugung des biodynamischen Winzers ist die Vorstellung, dass der Rebgarten als Ganzes ein sich selbst erhaltender, lebendiger Organismus ist. Heute wird diese Ansicht von vielen, auch sog. konventionellen, Weinmachern geteilt, war aber in den 20iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts durchaus innovativ. Die Konsequenz nach anthroposophischer Lehre ist, dass sich der Ablauf der Arbeit im Rebgarten an kosmischen Rhythmen orientieren sollte. Dies bedeutet u.a. eine Orientierung an den Mondphasen beim Rebschnitt und der Lese. Auch der Sonnenstand, also die Tageszeit, ist für bestimmte Tätigkeiten außerordentlich wichtig um den Biorhythmus der Pflanzen nicht zu stören. Als Düngung wird selbsthergestelltes Material aus Hornmist und  gemahlenen Kuhhörnern (sog. Hornkiesel) verwendet.

Wissenschaftlich anerkannt bzw. durch messbare Fakten bewiesen ist von den Maßnahmen der biodynamischen Landwirtschaft überhaupt nichts. Dieses Schicksal teilt sie mit der anthroposophischen Medizin, die nach Ansicht der Bundesärztekammer nicht zu den objektiv wirksamen Behandlungsverfahren gehört. Warum finden die Ideen Rudolf Steiners trotzdem in der Weinbranche so viel Anerkennung? Das hängt vermutlich mit dem Endprodukt Wein zusammen, dem man ja von alters her eine spirituelle Bedeutung gegeben hat: man denke nur an Dionysos und seine mystischen Feste oder an das Blut Christi in Form von Wein bei der Eucharistie. Die ganzheitliche Betrachtungsweise der Natur und insbesondere der Rebstöcke mit ihrem direkten Umfeld durch das anthroposophische Weltbild muss der Spiritualität eines Winzers entgegenkommen. Die Biodynamik verlangt intensivsten und innigsten Kontakt des Weinmachers mit seiner „materia prima“, was u. a. eine ganz wichtige Voraussetzung für genussvolle Weine ist. Hinzu kommt, dass man die Methoden der biodynamischen Landwirtschaft durchaus anwenden kann auch ohne ein bekennender Anthroposoph zu sein. Als Zusammenfassung des vorliegenden blogs kann man wohl sagen, dass das Ziel immer nur sein kann guten und bekömmlichen Wein zu machen, die Wahl der Methoden, wie man dies erreicht, bleibt dem Ermessen bzw. der Weltanschauung des jeweiligen Winzers vorbehalten.

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