Wein schenken

Paternina Gran Reserva "Reserva Especial" 1968

Ein gereifter Wein kann ein großartiges Geschenk sein.

„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“ sagt der Volksmund und damit ist auch schon eine hintergründige Definition des Sinns von Geschenken gegeben: man erwartet nämlich in irgendeiner Form eine Gegenleistung. Im Falle des obigen Spruchs soll Freundschaft erhalten bleiben. In der Philosophie wird gelehrt, dass eine Gabe ohne die Erwartung einer Gegengabe überhaupt nicht denkbar sei. Selbst wenn der Eindruck erweckt werden soll das Schenken sei eine rein altruistische Handlung lässt sich vermutlich immer eine Erwartungshaltung des Schenkenden nachweisen, die sich nach Erfüllung sehnt.  Im täglichen Umgang mit unseren Mitmenschen stellen wir beim Schenken natürlich solche Überlegungen nicht an. Wir glauben fest an die Uneigennützigkeit des Vorganges. Unter Weinfreunden sind Weingeschenke an der Tagesordnung. Wenn man sich gegenseitig besucht bringt man Wein mit. Damit dieser nicht in der nächsten Bratensoße landet versucht man sich am Geschmack des Beschenkten zu orientieren. Dazu muss man diesen natürlich kennen und trotzdem kann man erheblichen Schiffbruch erleiden. Warum das so ist erklärt eine Studie aus der Soziologie.

Die gesellschaftlichen Hintergründe des Weinschenkens hat Pierre Félix Bourdieu (1930 – 2002), ein sehr bekannter Soziologe und Sozialphilosoph aus Frankreich, bearbeitet. In einer Studie zum gesellschaftlichen Verhalten bei „Einladung, Empfang und Bewirtung von Gästen”  ( Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982) hat er die soziale Struktur der Gesellschaft in drei, am Beruf orientierten, Gruppen eingeteilt: (1) Arbeiter, (2) Untere und mittlere Angestellte und Beamte sowie (3) Leitende Angestellte und Beamte, Industrielle und Freie Berufe. Auf die Frage was die Einladenden von ihren Gästen am liebsten mitgebracht bekommen antworteten 18,6 % der Arbeiter „Wein”, das waren deutlich mehr als in der zweiten (16,9 %) und dritten (14,0 %) Gruppe. Dies bedeutet, dass in der „niedrigsten“ sozialen Schicht, der Wein als Geschenk offenbar die höchste Wertschätzung erhält, mit Sicherheit deswegen, weil er bei diesen Menschen auch einen nicht unerheblichen Prestige-Wert besitzt. Dies ist in der dritten Gruppe naturgemäß nicht so, denn hier kauft man sich selbst nach Belieben den Wein, den man trinken möchte, außerdem hat man sehr klare Vorlieben und ist wesentlich misstrauischer fremdem Geschmack gegenüber.

Eigentlich stellt die Untersuchung von Bourdieu die landläufige Annahme, dass sich der erklärte Weinfreund über einen guten Tropfen am meisten freut, völlig in Frage. Da man annehmen kann, dass sich Weinfreunde bzw. -Kenner häufiger in der dritten Gruppe der Bourdieu-Studie befinden, wird klar, dass sie die geringste Wertschätzung dem Weingeschenk entgegenbringen. Demgegenüber haben die Gruppen mit anderem gesellschaftlichen Hintergrund deutlich mehr Spaß am geschenkten Wein, ganz sicher auch wegen der vermeintlich damit verbundenen sozialen Aufwertung. Was heißt das nun für die Entscheidung „wann und wem“ soll man Wein mitbringen? Die Antwort ergibt sich aus dem gerade Gesagten: Weinfreunden aus der Gruppe der beruflich Erfolgreichen und der Intelligenz bzw. aus dem höheren Beamtentum und Selbstständigen sollte man tunlichst keinen Wein schenken! Alle anderen Weinfreunde wird man mit einer Flasche Wein als Mitbringsel vermutlich beglücken können.

Welcher Wein eignet sich am besten als Geschenk? Rotwein hat einen höheren Prestigefaktor (und eignet sich notfalls auch besser zum Kochen!) als Weißwein, für Etikettentrinker sollte es eine bekannte Marke sein. Exotische Herkünfte und Traubensorten können sehr attraktiv sein, vorausgesetzt der Gebende kann etwas Spannendes darüber erzählen (der Wahrheitsgehalt wird ja meist nicht nachgeprüft). Gut fährt man immer, wenn man das mitbringt, was man selber auch gerne trinkt und es auch so begründet. Vergessen Sie nicht, dass jedes Geschenk, auch etwas über den Schenkenden aussagt. Bereits die Ethymologie des Wortes „schenken“ deutet auf seine zweite Bedeutung im Sinne von „einschenken“. Ein Glas mit mitgebrachtem Wein zu füllen kann also als Gastgeschenk nicht verkehrt sein!

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