Veganismus: Diät oder Weltanschaung?

Wunderbare Natur: Mandelblüte vor den Schneebergen im Februar 2017 in den Alpujarras

Ein mir unerklärliches Phänomen ist die offensichtliche Unkenntnis über die Grundprinzipien der menschlichen Ernährung. Die Wissenschaft redet über schwarze Löcher im Universum, das menschliche Genom, die molekularen Ursachen von Krankheiten u.s.w., u.s.w. Aber eines ist bis heute so unklar wie eh und je: die adäquate Zusammensetzung der Nahrung für den Menschen. Zwar haben die Forscher auf diesem Gebiet ein enormes Faktenmaterial zusammengetragen, aber über die Relevanz all dieser unzähligen Wissensbrocken für das kulinarische Glück des Menschen ist sehr wenig bekannt, wenn man von der reinen Mangelernährung einmal absieht. Über Ernährung kann sich jeder auslassen und sogar „gesicherte Erkenntnisse“ bei feuilletonistischen Ausschweifungen in der Laienpresse ungeahndet außer Acht lassen. Bei näherer Betrachtung komme ich zu dem zwingenden Schluss, dass Nahrungsaufnahme sehr viel mit Religion gemein hat. In beiden Bereichen spielt der Glaube eine ganz ausschlaggebende Rolle. Wie in den Religionen scheint mir auch im Bereich der Ernährung die Intelligenz des Menschen der ärgste Feind des Glaubens an die Lehrmeinung zu sein. Eklatante Beispiele für meine Behauptung finden sich häufig in der Wortwahl der jeweiligen Befürworter. Sie sprechen von Angstprofiteuren, gehirngewaschenen Funktionären der Nahrungsmittelindustrie oder der Kirchen, Aberglauben, Ignoranz, Propaganda und Inkonsequenz. In den Zeiten der „alternativen Wahrheiten“ müssen ja Begriffe auch nicht mehr zwangsläufig mit nachvollziehbaren Inhalten unterlegt sein.

Ich wollte mich im Internet ein wenig mehr über Veganismus informieren und bin auf unzählige Beiträge gestoßen, die genau die oben erwähnte Nähe zur Religion nahe legten. Immer wieder wird betont, dass Veganismus weit über eine Form der Ernährung hinausgeht, er ist vielmehr eine Ethik, in deren Mittelpunkt die Ausschaltung von Tierquälerei zur Befriedigung menschlicher Konsumgelüste steht. Veganer trinken keine Milch oder essen keine Eier wegen der nicht artgerechten Tierhaltung. Sie tragen keine Lederkleidung und -schuhe und lehnen jedes tierisches Produkt bei der Herstellung von Genussmitteln ab, können sich also wegen der Gelatine nicht für Gummibärchen begeistern!

Was bewegt die Menschen sich dem Veganismus zu verschreiben? Da sind zunächst einmal die ganz auf die eigene Person bezogenen Gründe Veganer zu sein. An vorderster Stelle stehen gesundheitliche Motive. Der Veganer glaubt, dass die Aufnahme von Tierprodukten Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen fördern kann. Industriell hergestellte Kosmetika lehnt der Veganer ab, denn sie wurden in Tierversuchen getestet. Bei den Pharmaka, die ja von Rechts wegen alle in Tierversuchen toxikologisch geprüft werden müssen, ist die Sachlage wesentlich komplizierter. Man hilft sich argumentativ dadurch, dass man empfiehlt auf ältere Präparate umzusteigen, denn die seien ja bereits alle in der Vergangenheit getestet worden und kein Tier sterbe heute mehr wegen ihnen. Also sollte man Nachahmerprodukte (Generika) immer bevorzugen. Medizinisch problematisch kann es werden, wenn der Veganer auf alternative, nicht schulmedizinische Heilmethoden ausweicht. Die Gefahr, dass dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit entsteht kennen die Gerichte leider allzu gut. Letztlich aber muss auch der Veganer kapitulieren. „ Es würde keinem einzigen Tier helfen, auf (notwendige) medizinische Maßnahmen zu verzichten.“ Dieses Statement habe ich auf der Home Page des Bundes für Vegane Lebensweise gefunden (http://vegane-lebensweise.org/ethik/corinna-gericke-uber-tierversuche/). Ein letzter, wichtiger Punkt ist der ökologische Aspekt des Veganismus: Tierhaltung ist eine der Ursachen für den Treibhauseffekt und die sog. Überdüngung. Durch das Nitrat des tierischen Düngers kommt es zu einer Grundwasserschädigung, die das gesamte Ökosystem zerstören kann, mit schweren, auch gesundheitlichen, Folgen für den Menschen.

In diesem geschilderten komplexen Umfeld wachsen natürlich auch Reben und wird Wein erzeugt. Darüber habe ich bereits berichtet. Ich möchte deshalb hier und jetzt lediglich den ökologischen Aspekt des Düngens der Rebgärten erwähnen. Konsequent wäre es, wenn der Dünger nicht aus tierischem Material sondern aus der Chemieproduktion stammen würde. Da aber Veganer sich auch für ökologischen Rebbau einsetzen ist das nächste schwer lösbare Dilemma auf dem Tisch. Und was ist wenn eine Mücke bei der Vinifizierung in den Gärbottich fällt und ersäuft? Ist der Wein dann noch vegan? Wir sehen, die Thematik des veganen Weins hört nicht bei der Eiweiss- bzw. Gelatineschönung auf sondern demonstriert die ganze Vielschichtigkeit des Begriffes „Veganismus“.

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