Grosses Theater in Almagro

Im „Corral de Comedias“ vor der Vorstellung (Beginn: 23.00 Uhr!)

An vielen Stellen im Ort erkennt man das charakteristische Calatrava-Kreuz, denn Almagro war einst die wichtigste Stadt im sog. Campo de Calatrava, dem Umland der Festung des ersten Ritterordens Spaniens. Später kamen die Fugger aus Augsburg, förderten im nahe gelegenen Almadén Quecksilber, wurden unendlich reich und finanzierten viele Unternehmungen des spanischen Königs und gleichzeitigen deutschen Kaisers Karl V. Noch heute kann man die kleinen Stadtpaläste der deutschen Bankiers und Kaufleute in den Straßen der Altstadt bewundern. Im Juli allerdings wird Almagro zur spanischen Theater-Hauptstadt, dann findet nämlich das jährliche Festival del Teatro Clásico statt. Im Jahre 2017 zum 40sten Mal. Zu dieser Zeit erwacht der das ganze Jahr über zu besichtigende „Corral de Comedias“ zum Leben. Ein „Corral“ war ursprünglich ein Hofraum bzw. ein Patio, der im 16. Und 17. Jahrhundert in vielen spanischen Städten zum Theater ausgebaut wurde. In jenen Tagen, die auch literarisch und künstlerisch als Spaniens „Goldenes Zeitalter“ in die Geschichte eingingen, war die Bezeichnung „comedia“ ein Synonym für Theater und umfasste die Tragödie, die Komödie sowie das Drama überhaupt. Almagros „Corral de Comedias“ ist das älteste und am besten erhaltene alte Theater Spaniens. Es bildet einen zauberhaften und völlig authentischen Rahmen für jene Stücke des „Siglo de Oro“, die auch heute noch auf allen Bühnen der Welt gespielt werden. Ich habe dort die Verwechslungskomödie  „Don Gil mit den grünen Hosen“ (Don Gil de las calzas verdes) von Tirso de Molina gesehen. Tirsos vielleicht berühmtestes Stück ist „El burlador de Sevilla o convidado de piedra“ (der Verführer von Sevilla und der steinerne Gast“), die erste Bearbeitung der Geschichte des Don Juan und Vorlage für das Libretto zu Mozarts „Don Giovanni“.

Von etwas anderem Kaliber war der absolute Klassiker Lope de Vegas „Fuente Ovejuna“. Es ist die Geschichte von Machtmissbrauch, Freiheit und Gerechtigkeit in dem Dorf gleichen Namens. Der Autor hat das Theaterstück in die Zeit der Katholischen Könige Isabel und Ferdinand gelegt und daraus fast ein historisches Revolutionsdrama gemacht. Die Macht der Könige, der Ordenritter von Calatrava und der Inquisition wird am Schluss von den Bewohnern des Dorfes Fuente Ovejuna überwunden. Es gibt wieder freie Meinungsäusserung und das Dorf feiert sich selbst. Die „Compañia Nacional de Teatro Clásico“ aus Madrid unter der Leitung von Helena Pimenta hat sowohl schauspielerisch als auch mit der Inszenierung eine ganz großartige Leistung vollbracht. In den Beinahe-Ruinen der alten Renaissance-Universität Almagros wurde großes Theater gezeigt von dem ich tief beeindruckt war. Auf der gleichen Bühne kam es zwei Tage später zu einem erneuten Höhepunkt:  Diesmal war es ausschließlich die Persönlichkeit von Rafael Àlvarez, „El Brujo“ (dem Hexer), einem genialen Schauspieler und Mimen, der die Geschichten des “Lazarillo de Tormes“ in einer Bearbeitung von Fernando Ferán-Gómez, erzählte. Der „Lazarillo“ eines anonymen Autors war der erste europäische Schelmenroman und wurde in viele Sprachen übersetzt. Die Mischung von klassischem Text und aktueller Improvisationskunst von „El Brujo“ war mitreißend und neben brüllend komischem Nonsense-Humor, gelegentlich auch mit politischem Bezug, gab es auch Stellen tiefer Melancholie und Lebensweisheit.

Der Plaza Mayor von Almagro

Das letzte Theaterstück in Almagro stammte zwar auch aus dem spanischen goldenen Zeitalter, war aber als Experimentaltheater im kleinen Teatro La Veleta aufgezogen. Alonso de Ercilla schildert im Stück „La Araucana“ 1589 den Beginn des Krieges von Arauco, während der Eroberung Chiles im frühen 16. Jahrhundert. Darin werden erstmals die Grausamkeiten und die Gier der Konquistadoren angeklagt. Übrigens der oberste Feldherr im fernen Andenstaat jener Tage war Diego de Almagro, dessen Standbild auf dem Hauptplatz von Almagro einen prominenten Platz einnimmt. Direkt davor breitet sich die wunderschöne Kulisse des Plaza Mayor aus. Auf diesem denkmalgeschützten Platz, dessen heutiges Aussehen aus dem 16. Jahrhundert stammt,  trifft man sich vor oder nach den Theatervorstellungen, genießt die laue Sommernacht und verspeist zum Wein oder Bier einige „Berenjenas de Almagro“, das sind – Spezialität der Stadt – würzig eingelegte, sehr schmackhafte Mini-Auberginen. Stilvoll übernachten kann man im 5 Minuten vom Plaza Mayor entfernten Parador. Das alte Franziskaner-Kloster, ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert, ist mit seinen Gärten und Patios selbst eine Sehenswürdigkeit und als Hotel ausgesprochen komfortabel, einschließlich Freiluftschwimmbad, ausgestattet. Sehr besuchenswert ist auch das nahe gelegene Museo Nacional del Teatro, ein spanisches Theatermuseum in dem die iberische Leidenschaft für die Bühne eindrucksvoll, kompetent und grafisch gut aufbereitet, präsentiert wird. Das Fazit meines sommerlichen Besuches in Almagro ist eindeutig: mitreissende Lebensfreude gepaart mit Kunst und Kultur, die auf jeden Fall auch die weiteste Anreise wert ist!

Diego de Almagro

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