Wer ist das Volk?


Nach dem Superwahlsonntag mit seinem sehr eindeutigen Ergebis kann selbst ich, ein eher unpolitischer Mensch, mich nicht mehr dem großen Thema „Flüchtlinge“ entziehen. In allen Medien scheint es bei dieser Thematik nur noch um die gleichen Fragen zu gehen, nämlich, müssen wir Angst vor dem nationalen Identitätsverlust haben oder schaffen wir die Aufnahme und Integration von zusätzlichen Millionen Menschen? Während ein Teil unserer Mitbürger bereits den Untergang des Abendlandes aufziehen sieht, spricht der andere Teil von den Chancen für die deutsche Wirtschaft und Kultur. Wenn ich mich selbst zu einer dieser beiden Gruppen bekennen sollte, könnte ich meinen genauen Standort zur Zeit nicht bestimmen. Da fühle ich mich den Politikern in unserem Lande durchaus verbunden, denn auch sie positionieren sich quer über die gesamte Bandbreite der Meinungen. Das hat zu dem Eindruck geführt, dass auch unsere politische Elite die Orientierung verloren hat und der „Flüchtlingsfrage“ keine intellektuelle oder emotionale Richtung mehr vorgeben kann.

In so einer Situation verwundert es nicht, dass Teile der Gesellschaft populistischen Bewegungen Gehör schenken und Ihnen bei demokratischen Wahlen ihre Stimme geben. Der von politisch rechten Gruppierungen vielfach benutzte Wahlspruch „Wir sind das Volk!“ (Volk = lat.: populus) ist ein offenes Bekenntnis zum Populismus. Populisten wollen die Botschaft vermitteln, dass nur sie wüssten was richtig und was falsch ist und, dass politische Problemlösungen im Grunde einfach sind. Ich kenne diese Gedankengänge und weiß aus der Erfahrung, dass sie nicht funktionieren können, denn das soziale und politische Gefüge in unserem Land ist viel zu komplex für einfache Lösungen.

Vielfach habe ich die Worte „Politik-Verdrossenheit“ und „Protestwahlen“ in den letzten Monaten in den Medien gehört. Ehrlich gesagt, ich finde die Inhalte dieser Begriffe abscheulich! Damit wird nämlich das Selbstverständnis unserer Gesellschaft in Frage gestellt. Eine in der demokratischen Gesellschaft ruhende Politik ist gleichsam die Schlagader unseres sozialen Zusammenhaltes und diese Tatsache dem Verdruss preiszugeben und aus Protest eine Partei zu wählen deren Programm man nicht unterstützt, gleicht einem Suizid! Das passierte 1933 schon einmal, reicht das nicht für alle Zeiten? Helfen wir doch lieber unseren Politikern aus der Orientierungslosigkeit durch Verständnis für ihre zwiespältige Situation! Ich bin ein Verfechter des geistigen sowie religiösen Pluralismus und der gesellschaftlichen Vielfalt und möchte beides in dem Land in dem ich lebe verwirklicht sehen. Nur so wird sich Deutschland nicht selbst abschaffen. Welches Kompliment könnte für uns größer und schöner sein als der Wunsch von Hunderttausenden ihre Flucht vor Krieg und Elend bei uns zu beenden und aus freien Stücken hier zu bleiben?

Bei allen regelmäßigen Lesern meines blogs, in dem ich bislang immer dem einen oder anderen Aspekt des Hedonismus gehuldigt habe, möchte ich mich entschuldigen, dass, der obige Beitrag unerwartet politisch geworden ist. Angesichts der epochalen Ereignisse sind wir gegenwärtig alle gefordert Stellung zu beziehen – auch ein unpolitischer Weinjournalist!

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