Eine subjektive Sicht: Süße im Wein muss nicht sein.

Kelchglas aus dem 19. Jhrh

Ein Klassiker für Sußweine: Kelchglas aus dem 19. Jhrh.

Ich habe ein Problem mit süßen Weinen, sie schmecken mir in ihrer Mehrzahl nämlich nicht. Dabei lese und höre ich immer wieder, dass Restsüße bei den heutigen Weintrinkern absolut im Trend liegen würde. Wenn ich auf die Geschichte des Weins sehe, stelle ich erstaunt fest, dass Jahrhunderte lang die Süße geradezu ein Markenzeichen für Wein war. Homer spricht schon von honigsüßem Wein, den Odysseus auf seinen Reisen als Gastgeschenk in seinem Schiff hatte. Die Huldigung süßen Weines setzt sich über die Jahrhunderte fort. Schon immer war der ungarische Tokayer, der mit der Zugabe von edelfaulen Trauben eine Weinaromatik besaß, die den Geschmack der Weinfreunde offenbar traf, das Maß aller Süßweine. Im 18. Jahrhundert griff dann die französiche Region Sauternes die ungarische Machart erfolgreich auf. In Deutschland begann man etwas später mit den Beerenauslesen ganz ähnliche Weine zu machen. Süße im Wein war für die Winzer die Vollendung des Weinmachens und die konnte man mit unterschiedlichen Methoden erreichen.

In den nördlichen Weinbauzonen konnte es während der Gärphase des Weins, meist im November, so kalt im Keller werden, dass die Gärung spontan aufhörte und eine erhebliche Restsüße bei geringem Alkoholgehalt zurück blieb. In den südlicheren Ländern mit wärmeren Außentemperaturen fügte man zu einem bestimmten Zeitpunkt der Gärung Weinalkohol hinzu um die Hefen zu inaktivieren und beendete damit die weitere Gärung. Diese „aufgespriteten“ Süßweine enthielten neben viel Zucker auch deutlich mehr Alkohol. Um den natürlichen Zuckergehalt in den Trauben zu erhöhen  gab es die Botrytis-Infektion (siehe blog „Der Januskopf unter den Schädlingen: Botrytis cinerea“) und die  Rosinierung. Bei letzterer wurden die frisch gepflückten Trauben vor der Gärung auf Strohmatten der Sonnenbestrahlung ausgesetzt und getrocknet (Strohweine). Das Gleiche konnte man durch Unterbrechung der Nahrungszufuhr für die Traube am Stock erreichen indem man ihren Stiel verdrehte.

Wenn wir von Botrytis-infizierten Süßweinen reden werden sie häufig als „edelsüß“ apostrophiert. Diese Bezeichnung ist keine offizielle Charakterisierung, im Weingesetz ist süß ein Wein mit über 7 – 9 g/l Restsüße, je nach Säuregehalt. Auch die Bezeichnung „lieblich“, die einen Glocose/Fruktose-Anteil von 18 bis 40 g/l bedeuten kann, ist nicht gesetzlich verankert. Ein massiver Botrytisbefall („Rohfäule“) führt übrigens bei trockenen Weißweinen zu einem erheblichen Qualitätsverlust. Der faulige Duft kann unerträglich sein und der Wein wird bitter. Daraus folgt, dass ausreichend Süße in den Trauben vorhanden sein muss um Trink-bzw. Genießbares aus Botrytis befallenen Trauben herzustellen.

Ich habe ich versucht meine deutliche Abneigung gegen süße Weine zu rationalisieren und mir eine persönliche Begründung dafür zurechtzulegen: zunächst einmal finde ich, dass der natürliche Zustand eines Weines immer der trockene Geschmack ist. Die Hefen sind unter normalen Bedingungen darauf aus auch das letzte Zuckermolekül in Alkohol zu verwandeln. Da gibt es bei hohem Zuckergehalt selbstverständlich eine Grenze, die bei der „natürlichen“ Süssweinproduktion zum Tragen kommt. Aufgespritete Weine sind vollkommen unnatürlich und leiden häufig unter ihrem hohen Alkoholgehalt. Obwohl die Botrytis eigentlich ein Schädling ist, kann sie aber unter klimatisch günstigen Bedingungen mit den Trauben etwas anrichten, was eine enorme geschmackliche Bereicherung und Vielfalt in den Wein bringt. Diese großartigen und komplexen „edelsüßen“ Weine schmecken dann selbst mir!

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