Die Wein-Snobs

Was „Etikettentrinker“ sind wissen wir. Es sind, kurz gefasst, Weintrinker, die sich Weine einschenken bzw einschenken lassen, die bekannte Namen tragen, aber nicht notgedrungen zu den besten gehören müssen (z.B. die Zweit- und Drittweine manch namhafter Kellereien). Eine vermeintliche Steigerung im Sozialprestige erfahren diese Leute dann wenn sie sich unwissend als als „Wein-Snobs“ outen. Unter Snob wird im allgemeinen Sprachgebrauch ja ein Mensch bezeichnet, der sich durch Wichtigtuerei, Überheblichkeit und Blasiertheit auszeichnet. Ursprünglich bezeichnete der Begriff Snob (Abkürzung des lateinischen „sine nobilitate” = ohne Adel) eine Person, die durch Äußerlichkeiten und Benehmen den Eindruck erwecken will, einer anderen, höheren Gesellschaftsschicht anzugehören. Entsprechend dieser Definition will der „Wein-Snob” zeigen, dass er zu den großen Weinkennern bzw. Weinfachleuten gehört. Durch einschlägige Bemerkungen erkennt der wirklich Eingeweihte aber relativ schnell, dass dem häufig nicht so ist.

In Karikaturen werden die Wein-Snobs oft mit einem Weinglas in der Hand dargestellt, wobei das Glas am Stiel,  zwischen dem Zeigefinger und dem Daumen festgehalten wird und der kleine Finger der gleichen Hand, lächerlich abgespreizt, nach außen zeigt, gleichsam als für jedermann erkennbares Zeichen extremer Vornehmheit. Sie reden von allen möglichen Winzern mit großen Namen und benutzen dabei deren Vornamen, als seien sie intimste Freunde. Demgegenüber wissen die echten, durch lange Trinkerfahrung geadelten Weintrinker all das was die Snobs auch wissen und sind mit den Álvarez von „Vega Sicilia“ so bekannt wie mit Corinne Mentzelopoulos von „Château Margaux“. Einziger Unterschied ist, dass ihr Wissen und ihr Geschmack angeboren zu sein scheinen. Sie reden nicht viel darüber sondern sind in der Gesellschaft Gleichgesinnter, im Gegensatz zu ihren Snob-Konkurrenten, eher geräuschlos.

Die Weinindustrie selbst hat bereits im 19. Jahrhundert die „Snobs“ mit der berühmten Klassifizierung der Medoc-Weine von 1855 hervorragend bedient. Eineinhalb Jahrhunderte lang werden die „crus classés“, vom „premier“ zum „cinquième“, so erfolgreich gehandelt, dass sie sogar von Kriminellen kopiert werden und als Fälschungen auf den Markt kommen. Darin unterscheiden sie sich nicht von den großen Luxusmarken unter den Uhren, Handtaschen oder Bekleidungsstücken, die in Billiglohnländern preisgünstig hergestellt werden um dann auf europäischen Flohmärkten Käufer zu finden. Bei den Bordeaux-Weinen ist interessant, dass nur die Reblagen klassifiziert werden, nicht aber die Weine der Kellerei. So kam es, dass z.B. das Chateau Lafite in den 70-iger Jahren des 20. Jahrhunderts relativ mittelmäßige Weine machen konnte, ohne, dass jemand ihre Klassifizierung als „premier cru“ in Frage gestellt hätte. Paradiesische Zustände für Etikettentrinker und Weinfälscher!

Unter soziologischen Gesichtspunkten ist der Jahrgang des Weines vermutlich noch wesentlich wichtiger als die Klassifizierung der Reblagen. Bedingt durch Klimaschwankungen gibt es in fast allen Weinbaugebieten Europas sehr deutliche Unterschiede in Qualität und Charakter innerhalb verschiedener Jahrgänge. Der Weinkenner weiss aufgrund eigener Anschauung die guten und die weniger guten Jahrgänge zu unterscheiden und handelt beim Bestellen bzw. Kaufen eines Weines entsprechend. Für den Snob und den Gelegenheitsgenießer gibt es Tabellen in denen die Jahrgänge, nach Regionen aufgeteilt, in Form von Sternchen oder Ziffern klassifiziert sind. Der Snob allerdings geht noch einen Schritt weiter: er redet sogar von Frösten im Frühjahr, Wassermangel und Hitze im Sommer oder dem furchtbaren Regen während der Lesezeit, als ob er selbst dabei gewesen wäre. Nicht selten hat dieser angelesene Wissensvorsprung demonstrativen Charakter, d. h. er dient dazu seine tiefe Kenntnis und Kompetenz in Sachen Wein anderen gegenüber zu dokumentieren. Ich möchte aber nicht missverstanden werden, das Wissen über Jahrgänge und ihre Qualität hat ursprünglich nichts mit „Snobismus“ zu tun, es ist, im Gegenteil, eine wichtige Komponente einen Wein wirklich wertschätzen zu können.

Der Wein-Snob ist meist kein Schnäppchenjäger. Im Gegenteil, der Preis seiner Wein-Ikone hat die gleiche Bedeutung für ihn wie sein teures Auto. Er wird zum Statussymbol und muss auch genannt werden (am liebsten ganz beiläufig, als spiele er keine Rolle)! Unter den Wein-Snobs können auch „Surrogat-Trinker“ gefunden werden. Auf diese soziologisch interessante Gruppe von Weinkonsumenten innerhalb der „Simulationsgesellschaft“ bin ich in einem früheren Beitrag eingegangen. Der Wein-Snob hat für junge Anfänger in Sachen Weingenuss häufig eine äusserst abschreckende Wirkung, denn er will das Geheimnis seines angeblichen Wissens und Könnens auf keinen Fall Preis geben und vermittelt somit dem Einsteiger, dass es unendlich schwierig sei sich beim Wein wirklich auszukennen.

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