Irrwege des Sherry-Marketing

Ist es nicht mehr als befremdlich, dass auf dem Berliner „Bar Convent“ im Oktober 2014 die spanische Außenhandelsorganisation zusammen mit dem Sherry-Kontrollrat in Jerez de la Frontera eine Veranstaltung unterstützt hat, die den Sherry als Partner für Mixgetränke propagiert? Als hätte dieser grandiose Wein nicht schon genug Imageprobleme! Die Verkaufszahlen des Sherry sind in den letzten Jahrzehnten ständig rückläufig gewesen und seine Wahrnehmung ist in einen Bereich gerückt, der mit dem „uncool“ der Jugendsprache noch schmeichelhaft umschrieben ist. Altbacken etikettierte Supermarktqualitäten mit hohem Alkoholgehalt haben das einst strahlende Bild des Sherry beim Konsumenten verblassen und unscharf werden lassen.

Zugegeben, in den Zeiten des Sherry-Booms im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert trank man Long-drinks auf Sherry-Basis. Im Cobbler wurden Fino oder Amontillado mit frischen Früchten und Zucker vermischt und dann über Eis in ein großes Glas gefüllt und durch einen Strohhalm getrunken. Das klingt zwar erfrischend aber gegen die in bunten Dosen oder Flaschen abgefüllten Alkopops von heute wird auch der „Sherry-Cobbler“ keine Chance mehr haben. Für den Sherry ist in ganz besonderem Maße seine Ablehnung durch die jungen Genießer bitter, denn aus Desinteresse kann schließlich keine spätere Begeisterung entstehen und genau die ist notwendig um die Vielfalt und Komplexität der unterschiedlichen Sherry-Typen zu verstehen und lieben zu lernen (Siehe auch Blog “ Spanien: ist Wein für die Jugend unattraktiv geworden?„).

Meine Zuneigung zum Sherry dauert nun schon länger als ein Viertel Jahrhundert und hat in vielen Publikationen, u. a. auch in einem Buch über den Sherry, Ausdruck gefunden. Ich habe die fatale Entwicklung im Sherryland erlebt, als nach und nach Kellereien ihre Tore schlossen, ihre alten Soleras anderen überließen und die Rebgärten ausgerissen und eingeebnet wurden. Ich bin fest überzeugt, dass, wenn überhaupt, nur ein einziger Weg aus der Krise führen kann: die Besinnung auf die hohe Qualiät und Einzigartigkeit dieser wunderbaren Weinkultur, die im Markt auch ihren Preis haben muss.

Weinfreunde, lasst uns den jungen, frischen Manzanilla und Fino als Weißwein zum Essen genießen und mit den alten Amontillados, Palo Cortados und Olorosos bei einem guten Buch oder einem schönen Musikstück Zwiesprache halten! Erinnern wir uns an Falstaffs großartigen Monolog aus Shakespeares König Heinrich IV „…(der Sherry) steigt Euch in das Gehirn, zerteilt da alle albernen und rohen Dünste, die es umgeben, macht es sinnig, schnell und erfinderisch, voll von behenden, feurigen und ergötzlichen Bildern.“ Die zwanghafte Vorstellung diese hochkonzentrierten, oxydativ gereiften Weine zum Essen servieren zu müssen, sollten wir endgültig fallen lassen, denn sie erschlagen fast alle Aromen begleitender Speisen. Sie vermitteln an den Geschmacks- und Geruchsnerven die Empfindung von flüssiger Zeit, nämlich der Zeit ihrer Reifung im Fass, und hinterlassen am Gaumen eine sinnliche Befriedigung, die keiner anderen Geschmacks- oder Duftreize mehr bedarf, ja ihnen gar keinen Platz mehr lässt! Wenn diese Einsicht wieder ins Bewusstsein der Weinfreunde rückt gibt es auch eine Chance auf  kommerziellen Erfolg. Zum Trittbrettfahrer in Cocktail-Bars ist dieser Weinaristrokrat wirklich nicht geboren!

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