Ganz schön nervig: die ständige Meckerei über den Alkohol

Ist 14 Vol.-% schon zu viel Alkohol?

Ein leidiges Thema: sind 14 Vol.-% schon zu viel Alkohol?

Das Motzen über zu viel Alkohol im Wein kann einem ganz schön auf die Nerven gehen! Was für einen Unterschied macht es denn, bitte schön, ob ich ein 0,2 l-Glas eines Weins mit 13,5 Vol.-% Alkohol oder eines Weins mit 15,0 Vol.-% trinke? Wenn ich einen Fingerhut (2 ml) aus dem 15 %igen Wein entferne trinke ich die gleiche Menge Alkohol wie in einem ganzen Glas eines 13,5 %igen. Schadet dieser Fingerhut voll Wein meiner Gesundheit? Macht er mich gar mehr betrunken? Bei der konsumierten Gesamtmenge von 200 ml wohl kaum!  

Schwer, behäbig, dick, üppig, erschlagend, wuchtig und unelegant mache zu viel Alkohol den Wein heißt es in einem auch bei sog. Weinexperten weit verbreiteten Vorurteil. Natürlich kommen all diese Eigenschaften bei alkoholstarken Weinen häufiger vor als bei dünneren Tröpfchen, aber eine Regel kann man daraus auf keinen Fall machen. Es ist eine Binsenweisheit, dass das Gleichgewicht aller Komponenten das Wichtigste im Wein und der Alkohol alleine nur eine Nebensache ist. So kompensiert ein hoher Extraktwert den Alkohol und potente Tannine im Rotwein sorgen, genau wie ausreichende Säure im Weißwein für Feinheit, Eleganz und Struktur. Sehr häufig erkennt man den auf dem Etikett ausgewiesenen Alkoholhgehalt überhaupt nicht.

Alkohol ist eigentlich eine geschmacklose Flüssigkeit, wie jeder Freund von Long Drinks mühelos an seinem Gaumen feststellen kann. Wer erkennt schon den Alkohol in einem mit Saft auf übliche Trinkstärke verdünnten Vodka-Orange? Erst in höherer Konzentration lassen sich brandige Noten an den Geschmacksrezeptoren erkennen und vermitteln die „typische“, leicht brennende Alkoholwahrnehmung. Viele wasserunlösliche Aromastoffe lösen sich im Alkohol und daher bezeichnet man diesen auch als einen der wichtigsten Geschmacksträger. Dies hat er mit Fett gemeinsam, was es ja im Wein nicht gibt. Je mehr Alkohol desto mehr Aromen, kann man sehr vereinfachend sagen.

Der notorische Alkohlstänkerer beklagt sich nicht nur über den hohen Alkoholgehalt der Weine sondern auch gleich über die Schöpfung an sich. Der „Klimawandel“ hätte uns dieses Ungemach beschert behauptet er dreist. Durch eine frühere Weinlese kann man aber auch heute noch mühelos den Alkohol im Wein senken, jedoch das will niemand, denn der Publikumsgeschmack hat sich geändert. Noch im 19. Jahrhundert gab es selbst in Bordeaux Weine mit ca. 10 Vol- % Alkohol, die aber sehr lange Flaschenreife benötigten um ihre grünen Noten abzubauen. Heute wird ein reifer, etwas marmeladiger Geschmack mit süßer Frucht bevorzugt und der Wein sollte außerdem möglichst rasch trinkbar sein. All diejenigen, die Wein erfolgreich verkaufen möchten müssen sich an diese Geschmacksvorgaben halten – und mit ihnen auch all die Genießer, die es manchmal vielleicht lieber anders hätten.

 

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2 comments to Ganz schön nervig: die ständige Meckerei über den Alkohol

  • Casimir

    Werter Herr Dr. Hilgard,

    inhaltlich stimme ich dem Gesagten ja weitgehend zu, aber der Fingerhut-Vergleich holpert doch arg.
    Entweder haben Sie kleine Finger (wenn denn der Fingerhut nur 2 ml fasst) oder aber große (wenn es denn 2 cl sein sollen).
    Rechnerisch ist nun lediglich die Variante mit den 2 cl mehr oder weniger okay….dies ist jedoch immerhin ein Schnapsglas und kein Fingerhut.
    Nichts für ungut und Prost….Heute gibt es Riesling mit 7,5 % vol. Davon allerdings viel 🙂

    • phil

      Sie haben ja völlig recht! Es sind tatsächlich 20 ml Wein, 2 wären es bei absolutem Alkohol. Die Aussage ändert sich aber dadurch nicht. Ich hoffe, dass Sie den Riesling genossen haben. Grüße!