Das Geheimnis der alten Riojas

Ein absoluter Rioja-Klassiker: Royal Tête de Cuvée 1970 der Bodegas Franco-Españols

Ein absoluter Rioja-Klassiker: Royal Tête de Cuvée 1970 der Bodegas Franco-Españols

Warum üben uralte Rioja-Weine an den Geruchs- und Geschmacksnerven eine so große Faszination aus? Meine persönliche, spontane Antwort klingt vielleicht zunächst verblüffend: „Weil sie sehr zeitgemäß sind!“ Zeitgemäß deshalb, weil viele Weinfreunde es leid sind sich den Gaumen mit Gerbstoffen und übermäßigen Extrakten auskleistern zu lassen und sich, statt dessen, nach filigranen und eleganten Weinen mit Rückgrat sehnen. Das können die Veteranen aus der Rioja im Übermaß bieten, außerdem haben sie, wohl aufgrund ihrer Rebsortenzusammensetzung, ein hervorrragendes Alterungspotential. So war es auch bei dem „Royal Tête de Cuvée 1970 Gran Reserva“ der Bodegas Franco-Españolas.

Auf der Flucht vor der Reblaus in seiner Heimat kam der Bordelaiser Frédéric Anglade Saurat 1890  nach Logroño um sich jenseits der Pyrenäen eine neue Existenz aufzubauen. Noch heute existiert sein Name in Bordeaux mit dem Château Anglade-Bellevue in  Blaye, Côtes de Bordeaux.  Elf Jahre später gründete er schließlich, unterstützt von spanischen Kapitalgebern,  die Bodegas Franco-Españolas, die 1922 ganz in spanische Hände übergingen. Damit begann die Blütezeit der Kellerei, die ein halbes Jahrhundert später mit dem Verkauf 1973 an den Rumasa-Konzern jäh endete. Nach der Entflechtung dieses Industrie-Giganten wurde der Staat Eigentümer und 1985 übernahm der Baulöwe Marcos Eguizábal Ramirez das Unternehmen. Trotz zuverlässiger Alltagsqualitäten (z.B. Bordón, Diamante, Viña Soledad) hat die Kellerei den alten Standard leider nicht wieder gefunden.

Umso mehr konnte ich mich glücklich schätzen, dass ich eine Flasche des 1970er „Royal Tête de Cuvée“ im Keller hatte, der noch in der „guten alten Zeit“ vinifiziert wurde.  Er bestand aus 40% Tempranillo, 30 % Mazuelo und 30 % Graciano, also der ganz klassischen Cuvée der Rioja. Der üppige Jahrgang 1970 wurde anfänglich hochgejubelt und schließlich als „sehr gut“ eingestuft. Die Angabe des Alkoholgehaltes fehlte vollständig. Im Glas zeigte er sich noch relativ farbintesiv mit Rubin- sowie zarten Orange-Ziegeltönen, auch ein leichter Braunstich war zu erkennen. Das Bukett hatte sehr deutliche Waldbeerenfrucht, Juchten und exotische Hölzer sowie einen Hauch von Lakritz, Teer und Rauch. Am Gaumen fand sich die Komplexität des Duftes wieder, daneben samtig-weiche Tannine und eine zarte Säure bei langem Abgang. Von Oxydation war sehr wenig zu spüren. Obwohl der Wein noch durchaus Biss hatte, war er außerordentlich feingliedrig und elegant. Ein großer Genuß!

Was ist nun das große Geheimnis dieser Weine? Könnte man es in Lehrbüchern nachlesen, wäre es kein Geheimnis. Ich glaube es ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Da ist erstens  der sehr lange Ausbau, in diesem Fall 12 Monate im Tank, 4 Jahre im Barrique und bis zum Ansetzen des Korkenziehers viele, viele Jahre in der Flasche. Bodensatz fand sich, wegen der regelmäßigen Abstiche im Fass, übrigens überhaupt keiner. Hinzu kommt die Rebsortenzusammensetzung: im Vergleich zu heutigen Riojas ein relativ kleiner Anteil des Tempranillo, dafür mehr vom robusten Mazuelo (Cariñena) und dem strukturgebenden Graciano. Als dritter Beitrag zum Geheimnis der alten Riojas kommt vermutlich die relativ geringe Pflege im Rebgarten hinzu. Damals hat man kaum Augenmerk auf Ertragsbegrenzung durch Rebschnitt gelegt, deshalb gab es im Lesegut weniger Farbstoffe, Tannine und Extrakte, außerdem wurde immer deutlich unreifer gelesen als heutzutage, was sich nicht nur im geringeren Alkohlgehalt ausdrückte, sondern dem Wein auch das enorme Entwicklungspotential in den großen Gebinden (Tank und Fass) gab. Siehe auch den Beitrag „Ein 44 Jahre alter Rioja begeistert mich“. Ob jedermann meine Begeisterung für diese Methusalems nachvollziehen kann weiß ich nicht.

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