Was hat es mit der Reblaus auf sich?

Vor mehr als 70 Jahren sang das Wiener Original Hans Moser „I muass im frühern Leben a Reblaus gwesen sein!“ Damit begründete er seine Liebe zum Wein und ihm folgten unzählige Epigonen, die ihre Weinläden oder -kneipen „Zur Reblaus“ o. ä. nannten. Das klingt zunächst ganz anheimelnd und lustig, wenn man aber etwas genauer nachdenkt, erkennt man den Hohn, denn dahinter verbirgt sich nichts anderes als eine beschönigende Bechreibung des Insektes welches im 19. Jahrhundert zu einer der größten biologischen Katastrophen der Geschichte wurde: der Phylloxera (Reblaus). Sie wurde vermutlich vor 1863 von den Vereinigten Staaten nach Südfrankreich eingeschleppt und hatte binnen kurzem fast den gesamten Weinbau des Landes vernichtet. Napoleon III. setzte noch vor Beginn des deutsch-französichen Krieges 1870 eine Kommission zur Erforschung und Bekämpfung der Phylloxera ein, ihren Vorsitz übernahm kein geringerer als der große Mikrobiologe Louis Pasteur. Trotzdem gelang der Durchbruch nicht und das Insekt breitete sich über ganz Europa aus.

Man kann sich vorstellen, dass die Verzweiflung der Winzer über das Sterben ihrer Rebgärten zu den abstrusesten Gegenmaßnahmen geführt hat. Das ging soweit, dass man hoch giftigen Schwefelkohlenstoff in den Boden injizierte und eigene Gesundheitsschäden billigend in Kauf nahm. Das Problem bei der Bekämpfung des Insekts war seiner außerordentlich komplexen Biologie geschuldet. Heute weiß man, dass der Lebenszyklus der Reblaus verschiedene Formen durchläuft. Sehr vereinfachend kann man sagen, dass es geflügelte Formen, die sog. „Reblausfliegen“, an den Blättern haftende „Blattgallen“ und die gefährlichen „Wurzelläuse!“ gibt, die sich in den Boden zurückziehen und die Wurzeln des Stockes zerstören. Aus diesen können wieder oberirdisch lebende Reblausfliegen werden… und der Kreislauf beginnt von Neuem.

Da es die Reblaus in den USA ebenso gibt, dort aber im Allgemeinen nur geringen Schaden anrichtet kam ein Pflanzenzüchter aus Texas namens Thomas Munson auf die Idee, die edlen europäischen Weinreben auf die offensichtlich resistenten amerikanischen Unterlagen zu pfropfen. Diese einfache Lösung setzte sich schließlich generell durch und wird bis heute weltweit praktiziert. Sein 1909 veröffentlichtes Buch Foundations of American Grape Culture war der große Durchbruch und ist noch heute ein Standardwerk an vielen Weinbauschulen.

Eine immer wieder gestellt Frage ist natürlich „hat der heutige Pfropfrebbau die ursprüngliche Qualität der Weine beeinflusst?“ Ich glaube, dass ein eindeutiges „Nein!“ die Antwort sein muss. Die Gründe dafür sind (1) einmal die vergleichbare Qualität vieler chilenischer Weine, die ohne Pfropfreben auskommen, da es die Phylloxera in Chile nicht gibt. (2) Bei der Monastrellrebe kann man auch eine gewisse Reblausresistenz feststellen und Weine von gepfropften und nichtgepfropften Stöcken schmecken sehr, sehr ähnlich. (3) Schließlich gibt es auch in Europa auf sandigen Böden keine Reblaus und die Qualität dieser Weine unterscheidet sich nicht von der der angrenzenden Regionen. Weine von „wurzelechten Rebstöcken“ sind wohl nichts mehr als ein letztendlich bedeutungsloser Marketing-Gag!

 

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