Rotweine „sur lie“ ausgebaut

Unter dem Titel “Oft sind die Hefen besser als der Wein” habe ich vor etwas mehr als einem Jahr an dieser Stelle über die Bedeutung der Hefen für die sinnliche Wahrnehmung von Duft und Geschmack referiert. Dabei bin ich auf eine Vinifikationstechnik überhaupt nicht eingegangen: die Reifung des Weins auf seinen Gärhefen („sur lie“). Historisch gesehen hat dieses Verfahren viele Wurzeln: es wird bei der Weißweinherstellung (siehe blog: Große Liebe: barrique-vergorene Weißweine) in Burgund und manchen Gegenden Spaniens ebenso angewandt wie bei der Herstellung von Schaumweinen nach Art des Chanpagners oder bei der Reifung des Fino-Sherry auf den flor-Hefen. Im Prinzip wird in all diesen Fällen der junge Wein noch eine Zeit lang im Gärgefäss auf den Hefen belassen, was auf der einen Seite die Struktur, das Aromenprofil und die Farbstabilität des Weines sehr verbessern kann, auf der anderen aber die Gefahr einer Infektion mit unerwünschen Keinem oder Hefen in sich birgt.

Nach der lebhaften Zellteilung der Hefen während der Gärung („stürmische Gärung“), sterben sie nach getaner Arbeit durch Autolyse ab und die festen Bestandteile lassen sich am Boden des Gärbottichs nieder. Sie stellen eine Biomasse dar, die sehr viele positive Eigenschaften in den Wein bringen kann, wenn es gelingt die Zellmembranen zu knacken und ihre Bestandteile sowie einiges des Zellinhaltes im Wein zu lösen. Um dies zu beschleunigen verwendet man eine Art Umrürtechnik (bâtonage), die die Hefen im Gärgefäss in der Schwebe hält. Es lohnt sich ein Blick auf die Substanzgruppen zu werfen, die dabei potentiell in den Wein übergehen:

Aus den Zellinneren sind es Nukleotide bzw. Nukleoside des Zellkerns, Aminosäuren und kleinere Paptide sowie verschiedene Aromastoffe. Aus der Membran stammen Lipide und Glycoproteine (vorwiegend die Manoproteine und Glucane). Manche dieser Verbindungen vermitteln den Umami-Geschmack oder auch fruchtige Noten. Die Geschmackskomponenten autochthoner Hefen sind Bestandteil des “Terroirs” während Zuchtheften auf ganz bestimmte Komponenten selektioniert sein und somit die Aromatik eines Weines ganz gezielt beeinflussen können.

In den letzten Jahren wurde auch bei Rotweinen die Reifung auf den Hefen intensiv untersucht und es konnte gezeigt werden, dass sich der Charakter der Weine sehr positiv beeinflussen lässt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Autolyse der Hefen rasch vonstatten geht und mögliche Kontaminationen mit anderen, unerwünschten Bakterien und Hefen vermieden werden; um das zu erreichen verwenden manche industrielle Weinmacher Enzyme (beta-Glucanasen), die die Zeit der Reife auf den Hefen erheblich verkürzen können. Derartige Techniken braucht man bei überschaubaren Weinmengen und sauberem Arbeiten im Keller nicht.

Was für wunderbare Tropfen bei 6 monatiger Lagerung auf der Hefe herauskommen können, zeigen u.a. die Rotweine von Thomas Cusiné aus der katalanischen Region “Costers del Segre” und auch die der Bodega Los Barrancos (Contraviesa Alpujarra)aus den Höhenlagen in der Provinz Granada.

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