Oft sind die Hefen besser als der Wein

Jeder Rebgarten hat seine eigenen, charakteristischen Hefe-Populationen, die Teil des sog. "Terroirs" sind.

Jeder Rebgarten hat seine eigenen, charakteristischen Hefe-Populationen, die Teil des sog. „Terroirs“ sind.

In fast allen Weinbauländern gibt es ein Sprichwort, das dem Sinn nach dem Titel dieses Beitrags entspricht und es ist wahrlich kein Kompliment für die Weinmacher. Dennoch steckt ein gutes Stück Wahrheit dahinter. Es lohnt sich einmal etwas genauer auf die Weinhefen zu schauen und sich die Problematik, die mit ihrer Wirkung verbunden ist, zu vergegenwärtigen.

Hefen sind einzellige Pflanzen, genauer gesagt Pilze mit einem Durchmesser von weniger als 0,01 mm, die in der Natur praktisch überall vorkommen und die sich sehr rasch durch Teilung vermehren. Immer da wo Zuckerhaltiges wächst gibt es eine besondere Art von Hefen, die der Mikrobiologe „Saccharomyces“ (Zuckerhefen) nennt. Kein Wunder, dass die Weinberge voll davon sind. Eine besondere Art spielt dabei eine wichtige Rolle der sog. Saccharomyces cerevisiae, eigentl. die „Bierhefe“ (vergl. spanisch „cerveza“ = Bier). Sie lagert sich auf den Schalen der Trauben ab und gelangt so bei der Kelterung in den Most und beginnt die Gärung (Zucker -> Alkohol + Kohlensäure + Bukettstoffe) zu induzieren. Diese nennt man dann „spontane Gärung“. Wichtig ist, dass sich die Naturhefe aus verschiedenen Hefestämmen zusammensetzt, deren Zusammenwirken u. a. die Individualität des späteren Weines mitbestimmt. Es gibt aber auch Hefestämme, die man lieber nicht im Most hat, weil sie unangenehme Fehltöne erzeugen können. Zu diesen sog. „wilden Hefen“ gehören z.B. die Apiculatushefen und die bei der Herstellung von Fino-Sherry wichtigen Kahmhefen (Oberflächenhefen = „flor“). Um das Wachstum dieser gegen Schwefel besonders empfindlichen Zellen zu unterbinden wird dem Most eine kleine Menge schwefliger Säure zugefügt. Unter diesen Bedingungen kommt es beim Gärvorgang relativ rasch zur Dominanz der Saccharomyces-Stämme über alle anderen Hefearten.

Wer wirklich hochklassige und vom Terroir geprägte Weine herstellen will wird immer versuchen mit Naturhefen (autochthone Hefen) aus dem Weinberg zu arbeiten, denn nur auf Basis der mikrobiologischen Vielfalt wird große Qualität erzeugt. Einen konstanteren und risikoärmeren Gärvorganges erreicht man allerdings mit sog. „Zuchthefen“ (Kulturhefen). Außerdem kann man mit diesen Hefen sog. „sekundäre“ Gäraromen im Wein erzeugen („Aromahefen“). Die Industrie bietet eine Palette von derartigen Zuchthefen an, die jede Art von Fruchtaroma in den  Weiß- oder Rotwein bringen können. Damit wird dann die Charakteristik einer Rebsorte oder eines Terroirs ggf. völlig aufgehoben und ein beliebiger internationaler Wein ohne geschmacklichen Reiz entsteht. Eine Besonderheit bei der Anwendung von Zuchthefen kann das vorherige Pasteurisieren des Weins sein. Dabei werden zunächst alle Mikroorganismen (Pilze und Bakterien) durch Erhitzen des Weins auf 87 °C abgetötet und bei der Gärung vermehrt sich dann nur noch die zugegebene Zuchthefe. Das ist zwar die optimale Minimierung des Gärrisikos aber der Tod jeder Individualität im Wein, da die flüchtigen Aromen diese Temperaturen nicht überleben. „Reintönigkeit durch Eintönigkeit“ nannte dies der Önologe Volker Schneider vor ein paar Jahren.

 

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