Sancho Panza – eine ironische Verspottung des Weinkenners?

Titelblatt des Don Quijote 1605 (4. Auflage)
Titelblatt des Don Quijote 1605 (4. Auflage)

Am Beginn des 16. Jahrhunderts entstand mit dem Don Quijote in Spanien Weltliteratur. Seither haben sich Jung und Alt über die Abenteuer des sinnreichen Junkers von der Mancha gefreut und immer wieder voll Bewunderung und Genuss nach den humorvollen und ironischen Erzählungen des Miguel de Cervantes gegriffen, in denen eine längst vergangene Zeit zum Leben erweckt wird. Weinfreunde sehen im erdverbundenen und bauernschlauen Sancho Panza den Vorläufer der heutigen Weinkritiker, denn er verstand sich wahrlich auf den Wein und das Erschmecken seiner Eigenschaften. Er selbst behauptet von sich, dass „wenn man mir irgendeinen beliebigen Wein zu riechen gibt, ich gleich seine Heimat und Herkunft erkenne, und wie er schmeckt und wie lang er sich hält…“  Auf die Frage wo er denn diese Gabe her habe, entgegnet er, dass er von Natur aus einen solchen Instinkt hätte, und dieser sei schon in seiner Familie angelegt. Einige seiner Vorfahren auf väterlicher Seite waren die besten Weinkenner der Mancha, wie nachfolgende Episode eindrücklich beweise:

Viele Jahre vor seinen Lebzeiten gab man zwei von ihnen aus einem Faß Wein zu kosten und fragte sie nach ihrer Meinung dazu. Der eine sagte er schmecke nach Eisen, der andere fand, dass er nach Leder röche. Der Eigentümer des Fasses versicherte, daß dieses absolut rein und gut ausgespült gewesen sei als es mit dem Wein gefüllt wurde und, dass sein Inhalt unmöglich weder nach Eisen schmecken noch nach Leder riechen könne. Trotzdem blieben die beiden berühmten Weinkenner bei ihrer Behauptung. Die Zeit verging und der Wein ging zur Neige. Als man das Fass schliesslich wieder reinigte fand man auf seinem Boden einen an einem Lederbändchen hängenden Schlüssel. Stolz gab Sancho Panza kund, daß er vom gleichen Schlage sei wie die beiden Weinkenner dieser Geschichte. Die Persiflage der „Weinsachverständigen“ seiner Zeit durch Cervantes  ist unübersehbar (Don Quijote, Zweites Buch, 13. Kapitel) .

Über die Herkunft des Don Quijote gibt Cervantes im Kapitel 9 (1. Buch) seines Meisterwerkes Auskunft. Es soll sich folgendermaßen zugetragen haben: Eines Tages spazierte er über den Alcaná in Toledo, den Markt. Er sah wie ein Junge einem Seidenhändler einige Hefte und vollgeschriebene Seiten Papiers zum Kauf anbot. Von seiner inneren Neugier getrieben, wollte er wissen um was es sich bei dem Geschriebenen handelte. Als er sah, daß es in Arabisch verfasst war, was er nicht verstand, sah er sich nach einem Morisken um, der ihm übersetzen könne. Offenbar war es in jenen Tagen nicht schwer eine entsprechende Person zu finden. Als diese eines der Hefte aufgeschlagen hatte begann sie entsetzlich zu lachen. Auf die Frage was denn so lächerlich sei antwortete der Moriske, daß er über eine handschriftliche Randbemerkung folgenden Inhaltes lache: „Diese Dulcinea von Toboso, die so oft in dieser Geschichte vorkommt, hatte, wie berichtet wird, unter allen Frauenzimmern in der Mancha die geschickteste Hand, Schweine einzusalzen.“

Als er Dulcinea von Toboso nennen hörte, ahnte er, daß sich dahinter vielleicht die Geschichte des Don Quijote verbergen könnte. Als der Moriske ihm den Titel des Manuskriptes nannte, nämlich: „Gechichte des Junkers Don Quijote von der Mancha, geschrieben von Sidi Hamét Benengelí, arabischem Geschichtsschreiber.“ war Cervantes begeistert und riss dem Seidenhändler die Papiere aus der Hand, gab dem Jungen einen halben Real dafür und bat den Morisken das ganze Werk zu übersetzen. So ist der Ur-Quijote entstanden. Das spanische Literaturdenkmal und Kultursymbol schlechthin ist also arabischen Ursprungs? Diese Einsicht war zu viel für die Scheuklappen-Nationalisten der nachfolgenden Jahrhunderte und so wurde das Kapitel 9 einfach totgeschwiegen. Nur noch wenige kennen den Namen Sidi Hamét Benengelís, des Vorläufers von Cervantes aus maurischen Tagen. Ob die Geschichte vom Buchmarkt in Toledo wahr ist oder dichterischer Phantasie entspringt, ist eigentlich völlig egal. Daß Cervantes sie erfinden und niederschreiben konnte sagt genug über die damalige Sicht auf die maurische Vergangenheit. Die Geschichte war noch nicht von ideologisierten Historikern späterer Jahrhunderte revidiert bzw. geschönt worden, sondern wurde, zum mindesten in den ungebildeteren Bevölkerungsschichten, für die ja der Don Quijote primär geschrieben wurde, so weitergegeben wie sie vermutlich wirklich war.

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2 comments to Sancho Panza – eine ironische Verspottung des Weinkenners?

  • 3177294

    Toller Artikel hat mich direkt zu einer Bestellung animiert.

    • phil

      Vielen Dank für das Kompliment und die Weinbestellung! Der Quijote ist tatsächlich eines meiner Lieblingsbücher. Grüsse
      Peter Hilgard