Spanische Bauernweisheiten: nützliches Weinwissen.

Ein spanischer Bauer am Beginn des 20. Jahrh.
Ein spanischer Bauer am Beginn des 20. Jahrhunderts

Während meiner Beschäftigung mit Spanien und seinem Wein ist mir klar geworden, daß dieses Getränk dort seit Jahrhunderten nicht nur ein beliebtes Genussmittel, sondern auch ein ganz wichtiger Bestandteil der täglichen Nahrung war. Wein enthält neben Kalorien auch Vitamine sowie Mineralien und ist damit ernährungsphysiologisch eine gute Ergänzung der täglichen Nahrungsaufnahme. Es wird ja sogar behauptet, daß dieser Nahrungsaspekt die primär treibende Kraft bei der Entwicklung des Weins gewesen sein soll.  Die Bedeutung, die dem Wein im spanischen Alltagsleben früherer Zeiten zukam, drückt sich in einer schier unüberschaubaren Zahl von Sprichwörtern aus, die leider immer mehr in Vergessenheit geraten. Ihre Sprache ist häufig recht altertümlich, aber dies macht gerade ihren Charme aus. Meist spiegeln sie Bauernweisheiten wider, die dem Weinmacher helfen sollten die Qualität des Weines im jeweiligen Jahr vorauszusagen. Ich möchte hier nicht alles wiedergeben was ich an Aussagen gefunden habe, nur einiges was typisch ist und den Charakter und – für den des Spanischen mächtigen Leser – die Sprache dieser Sprüche widerspiegelt.

„Abril frio, mucho pan y poco vino“ (Ein kühler April bringt viel Brot aber wenig Wein), „Agua de por San Juan, quita vino y no da pan; por agosto, ni pan ni mosto“ (Regen am Johannestag [24. Juni] verdirbt den Wein und gibt kein Brot; genau wie der Regen im August) oder „Día de San Martino, prueba tu vino“ (Am Martinstag [11.November] sollst Du Deinen Wein probieren). Diese und ähnliche Volkssprüche illustrieren sehr bildhaft die Bedeutung des Weinan- und Weinausbaus im einstigen Leben der spanischen Landwirte. Alle weinbauenden Völker haben übrigens solche oder ähnliche Sprüche gehabt. Auch in Deutschland gab es sie in großer Zahl. Man erinnere sich zum Beispiel an „Ist Sank Pankratius [12. Mai] schön, wird guten Wein man sehn“ oder „oh heiliger Sankt Veith [15. Juni], regne nicht, daß es uns nicht an Obst und Wein gebricht“.

Viele Sprüche beziehen sich auch auf die Trinkbarkeit des Weines. „Carne de hoy, pan de ayer, vino de antaño“ (Fleisch von heute, Brot von gestern, Wein vom letzten Jahr) beschreibt wann Fleisch, Brot und Wein am besten zu geniessen sind. Diese Aussage bezieht sich vermutlich auf die Bekömmlichkeit der jeweiligen Nahrungsmittel, insbesondere natürlich in den Zeiten als Kühlhäuser für Fleisch noch nicht existierten. Es zeigt aber auch, daß man in Spanien reifen Wein besonders genoß, was uns – bei den damaligen Kellertechniken – einen Hinweis darauf gibt, daß die Weine samt und sonders oxydiert gewesen sein müssen, was die Bauern wohl auch geschmacklich bevorzugten. Dazu passt das Sprichwort „La mayor señal de agua es no haber para vino“ (Das wichtigste Merkmal des Wassers ist, daß es nicht für den Wein da ist). Der reife Wein sollte nicht mit Wasser verdünnt werden sondern in seinem natürlichen, und vermutlich recht alkoholreichen, Zustand genossen werden. Noch heute findet man bei den Weinbauern in den ländlichen Gegenden Spaniens die Meinung, daß das einzige Qualitätsmerkmal für einen guten Wein sein Alkoholgehalt ist.

Allerdings war in anderen mediterranen Ländern das Verdünnen des Weins mit Wasser auf Trinkstärke durchaus eine sehr weit verbreitete Praxis. Die Bevorzugung des Weins gegenüber dem Wasser dückt sich auch in Ablehnung des Wassers durch die Fliege in einem Gespräch mit dem Frosch aus: „más vale morir en el vino que vivir en el agua“ (es ist besser im Wein zu sterben als im Wasser zu leben) sagt sie zu ihm in dieser Mini-Fabel. Schliesslich sei noch auf andere Aussprüche wie z.B. „Cada cuba huele al vino que tiene“ (Jedes Fass riecht nach dem Wein den es beinhaltet) hingewiesen. Dies ist natürlich im übertragenen Sinne zu verstehen und bedeutet, daß man seinen Charakter nicht verleugnen kann.

Zum Thema Wein und Ernährung gibt es ebenfalls unzählige Sprichwörter. Wie ein roter Faden zieht sich durch ihre Aussagen die gute Verbindung von Brot und Wein. „Amigo por amigo, el buen pan y el buen vino“ (zwei Freunde, gutes Brot und guter Wein). „En pan cortar y vino echar, bien veo quién me quiere bien y qiuén me quiere mal“ (Beim schneiden des Brotes und beim einschenken des Weins erkenne ich wer mich mag und wer nicht). „El vino por el color, y el pan por el olor, y todo por el sabor“ (Der Wein für die Farbe und das Brot für den Duft, beides zusammen für den Geschmack). Natürlich erkennt man in diesen Aussagen, die den Zusammenhang von Wein und Brot betonen, die christlichen Wurzeln Spaniens. Brot und Wein sind ganz eng mit dem biblischen Abendmahl verbunden. Wie an dieser denkwürdigen Veranstaltung Wein und Brot die Verbindung Christi mit seinen Jüngern symbolisierte, wird auch in den Sprichwörtern immer wieder die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen mit dem Genuß dieser beiden in Verbindung gebracht. Man erkennt seinen Freund eben an der Art und Weise wie er Brot und Wein mit einem teilt.

Im Alltag der mediterranen Esskultur waren es weniger die mystischen Beziehungen zu den Nahrungsmitteln sondern die ökonomischen Zwänge die Brot, Wein und den dritten im Bunde – das Olivenöl – als wichtigste, und vorallem bezahlbare, Kaloriequellen für den arbeitenden Menschen zusammenbrachten. Was einst Wissen vieler Generationen war wird heute langsam wiederentdeckt. Unsere Ernährungswissenschaftler sprechen von den Vorzügen der Mittelmeerküche, die für unser körperliches Wohlbefinden, und letztlich auch unsere Lebenserwartung, so gut sein soll. Sie geben damit den genannten drei Grundnahungsmitteln aufs Neue jene Dominanz, die sie im gesamten Mittelmeerraum über viele Epochen schon einmal hatten. Welche Bedeutung dabei dem Wein zukommt ist in den vielen wissenschaftlichen Ausführungen der letzten Vergangenheit, und hier im Blog, zum Verhältnis von Weinkonsum und Gesundheit nachzulesen.

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