Ein verlorener Schatz: Rosinen

Die Süße von Weintrauben ist nicht nur die Basis für den Alkohol im Wein sondern war jahrhundertelang auch ein begehrtes Nahrungs- und Genussmittel. Die Kreuzfahrer brachten den Zucker, so wie wir ihn heute kennen, erstmalig nach Europa und etwa ab den Beginn des 16. Jahrhunderts wird Zuckerrohr weltweit angebaut, Zucker blieb jedoch ein begehrtes Luxusgut. Er wurde sogar  als „Weißes Gold“ bezeichnet. Kein Wunder also, daß von Natur aus süße Genußmittel immer sehr gefragt waren. Eines davon waren die köstlichen, kleinen Rosinen, die man in Süddeustchland einst auch „Zibeben“ nannte.

Die Kunst Weinbeeren zu trocknen ist uralt und war schon im Altertum rings um das Mittelmeer weit verbreitet. Nicht überall wo Rebstöcke stehen gibt es auch die entsprechenden Trockenfrüchte, denn es braucht viel Sonne sie herzustellen und die haben die nördlichen Weinbauländer eben nicht. Die deutsche Sprache kennt mehrere Bezeichnungen für getrocknete Trauben, die alle auf die fremde Herkunft dieses Produktes hinweisen. Das am meisten gebrauchte Wort „Rosinen“ hat nichts mit dem gelegentlich frisch geöffneten Packungen entströmenden Rosenduft zu tun, sondern leitet sich aus dem mittelalterlichen Vulgärlatein „racimus“ (= Weintraube) ab. Im Spanischen heißt die Weintraube noch heute „racimo“, ein Wort dessen Wurzeln selbstverständlich mit denen des Begriffes für Rosinen identisch ist. Daraus ist zu schließen, daß Rosinen in unseren Breitengraden tatsächlich primär einmal aus den sonnigen Ländern um das „mare nostrum“, d.h. aus dem ehemaligen römischen Reich, kamen.

Eine besondere Art der Rosinen wurde vom Pelopones importiert und über dessen Hafen Korinth in den Norden und Westen Europas geschickt. In Deutschland und vielen europäischen Ländern wurden sie als Korinthen (im Spanischen „pasas de Corinto“) auf den Markt gebracht. Die dritten im Bunde waren die zarthäutigen und kernlosen „Sultaninen“ deren Grundlage die kleinasischen „Sultana“-Trauben waren. Ihr Name ist identisch mit den arabischen Wort „Sultan“, was bedeutet daß dieser Traube schon immer „eine beherrschende Rolle“ in der Gunst der Gourmets zukam. In der spanischen Sprache gibt es diesen Begriff überhaupt nicht, was darauf hindeutet, daß man Rosinen  wohl nur in ganz besonderen Ausnahmefällen importierte und dafür lieber das landeseigene Produkt verwandte.

Im spanischen heißt die Rosine „pasa“. Dieses Wort leitet sicht nicht etwa von „uva pasada“ ab was so viel wie reif heissen könnte, sondern vom lateinischen „uva passa“. Dies bedeutet  „ausgebreitete Traube“. Dies wiederum lässt auf den Herstellungsprozess schliessen. Ganze Trauben werden auf den „paseros“, d.h. den Trockenflächen, auf Strohmatten der Sonne ausgesetzt und verlieren so langsam ihr Wasser durch Verdunstung. Die Pflege trocknender Trauben ist aufwendig, sie müssen regelmäßig gewendet und vor den feuchten Herbstnebeln oder gar vor Regenfällen geschützt werden. Solche, ausschliesslich mit handwerklichen Methoden hergestellte Rosinen können eine enorme Aromen- und Geschmacksfülle entwickeln. Durch die lange Sonneneinwirkung erhalten sie einen leicht toastigen Charakter, der sich perfekt mit der zarten Säure und der saftigen Süße vermischen kann. Die feinsten  Rosinen des Jahres werden Ende Oktober bzw. Anfang November als ganze Trauben mit Seidenpapier zart umschlungen in Holzkisten verpackt und auf den Markt gebracht.

Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie begehrt diese Trockenfrüchte in den nördlichen Teilen Europas einst waren. Da sie gerade rechtzeitig zur Weihnachszeit verfügbar wurden, haben sie Eingang in das Weihnachtsgebäck vieler nordischer Völker gefunden. Man denke etwa an den englischen „plum-pudding“ oder die deutschen „Lebkuchen“ oder „Stollen“. Die Qualität der Rosinen war ausschlaggebend für den Geschmack dieser Köstlichkeiten.

Im 19. Jahrhundert gab es einen sehr regen Handel von Rosinen, sie kamen meist aus Málaga oder aus Granada, mittlerweile mögen die Konsumenten allerding mehr die kernlosen Schrumpeltrauben aus kalifornischer, aber auch türkischer, Massenproduktion. Das Ausgangsmaterial dieser Produkte wird maschinell gelesen und in Trockenöfen in süße, aromalose Klümpchen verwandelt, auf deren Oberfläche hinzugefügte Fettrückstände ein gegenseitiges Verkleben verhindern sollen. Ein Kilo Supermarktsrosinen ist heute billiger als ein Kilo frischer Weintrauben aus Spanien. Diese Tatsache sagt eigentlich alles über die Qualität. Schade, daß ein so wunderbares Produkt aus Trauben einen solchen Niedergang erlebt hat! Rosinen waren eines von vielen Beispielen in denen die Haltbarmachung eines frischen Produktes zu einer ganz neuen Delikatesse geführt hat (andere Beispiele sind natürlich Schinken, Würste, Stockfisch, Sauerkraut u.v.a.).

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