Ein großer Erfolg: Die Weißweine Spaniens

Spanien ist noch immer ein Weißweinland, denn weit über die Hälfte der gesamten Rebfläche ist mit weißen Rebsorten bepflanzt. Das hat natürlich seine historischen Gründe: als im Jahre 1516 der Habsburger und spätere Kaiser Karl V. unter dem Namen Carlos I zum spanischen König proklamiert wurde, sprach der im flämischen Gent geborene 16-jährige kaum Spanisch und hatte auch keine Regierungserfahrung. Um die auf ihn zukommenden Herausforderungen zu meistern umgab er sich mit Beratern aus seiner alten Heimat. Wie damals im Land der Flamen üblich, waren diese große Freunde des Weißweins, den sie vom Rhein bezogen. Karl selbst war passionierter Biertrinker und so ließ er seinen Höflingen und Beamten freie Hand um zu ihrer Lustbefriedigung in der neuen Heimat Weißwein anzubauen. Bald wurde es am Hofe Mode spanischen Weißwein zu trinken und von dort ging der Weißweinimpuls ins ganze Land hinaus. Die Qualität dieser Weine muß, nach damaligem Standard, hervorragend gewesen sein und noch 1865 schrieb der seinerzeit berühmte Dr. Wilhelm Hamm in seinem in Leipzig erschienenen „Weinbuch“ folgendes „Noch immer stehen verschiedene trockene Weißweine und weiße Süßweine Spaniens den meisten anderen voran und bilden einen Handelsartikel, der nach allen Häfen der Erde geht.“

Man muß wissen, daß Weißweine in früheren Jahrhunderten in Spanien eine rosa Farbe hatten. Der Gegriff Roséwein, spanisch „rosado“, ist erst im 19. Jahrhundert aufgekommen. Sehr einprägsam findet man die Farbe des Weißweins, der als Kontrast zum tiefdunklen Rotwein stand, in dem vielleicht berühmtesten Gemälde zum Thema Wein des Diego Velázquez „Die Trinker oder der Triumph des Bacchus“ aus dem Jahre 1626. Darauf erkennt man die beiden Weintypen sehr genau. Einer der Trinkkumpanen hält eine Schale, vergleichbar mit einem „Tastevin“ voll Rotwein in den Händen, während ein anderer ein Rippenglas mit dem typischen „Weißwein“ der damaligen Zeit von zarter Rosafärbung mit seiner Hand umschliesst. Die Weißweine waren immer aus Mischsätzen roter und weißer Trauben weiß gekeltert und da man sich mit dem Abpressen der Maische Zeit liess, hatten diese Weine einen rosa Farbton.

Einen weiteren Hinweis für die enorme Bedeutung der Weißweine in der Weingeschichte Spaniens liefert der Name für Rotweine. Als im 19. Jahrhundert die Mode Rotweine zu trinken von Frankreich über die Pyrenäen schwappte, hatte man in Spanien, mangels ausreichender Verfügbarkeit von Stöcken roter Rebsorten, ein einfaches Rezept zur Hand: die Weißweine wurden ganz einfach mittels Färbertrauben, wie z.B. der Garnacha tintorera, „gefärbt“. Konsequenterweise bezeichnete man diese neuen „Rotweine“ in der kastilischen Sprache als „tintos“, was schliesslich nichts anderes als „gefärbte“ bedeutet. Zwar sind die heutigen Rotweine längst keine „tintos“ im damaligen Sinne mehr, aber das Wort bezeugt noch immer die frühere Bedeutung der Weißweine.

Das Merkmal der klassischen Weißweine Spaniens war ihr oxydativer Ausbau, wie man ihn noch heute beim Oloroso-Sherry oder den „Rancios“ aus Katalonien antrifft. Die Vorliebe der Konsumenten für diese Geschmacksrichtung verschwand immer mehr in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und mit dem Einzug temperaturkontrollierter Gärverfahren und der streng reduktiven Vinifikation hat sich dann auch in Spanien der Weißweinstil grundlegend geändert. Heute verfügt das Land über eine Weißweinkultur, die sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen kann. Jugendliche Frische und die Dominanz der Primäraromen sind bei den neuen weißen Spaniern zum Markenzeichen avanciert. Aber auch die alte Liebe für den Holzausbau ist nicht gestorben. Heute heißen die Zauberworte „fermentado en barrica“ (barrique-vergoren). Der Barriquekontakt und die kurze Lagerung auf den Hefen geben gut strukturierten, körperreichen Weißweinen jene moderne, cremige Holznote, die zwar deutlich erkennbar, aber eben nicht dominant, eine weitere Duft- und Geschmacksdimension erschließt und die Frucht auf wunderbare Weise ergänzen kann.

Eleganz und Finesse eines Weißweins sind zu einem nicht unerheblichen Teil der Beitrag eines gemäßigten Klimas. Kein Wunder, daß die besten und interessantesten Weißen aus Spaniens nördlichen Gefilden oder den kühleren, weiter südlich gelegenen Hochlagen kommen. Aufgrund der Ignoranz vieler einheimischer Weinmachern galten in der Vergangenheit die landeseigenen weißen Rebsorten als eher charakterlos und ungeeignet für wirklich große Weißweine. Dieses Vorurteil wurde von Journalisten und Händlern dann bereitwillig weltweit verbreitet und von Weinfreunden, mangels überzeugender Beispiele des Gegenteils, auch akzeptiert. Da wundert es nicht, daß sich viele Winzer ausländischen Sorten zugewandt haben. Insbesondere der Chardonnay hat in einigen Regionen Spaniens eine neue Heimat gefunden. Aber auch aus dem Sauvignon Blanc, dem Gewürztraminer und dem Viognier wurden interessante Tropfen hergestellt, die mit den Originalen in ihren jeweiligen Heimatländern mühelos konkurrieren konnten. Gerade deswegen war das Problem dieser Weine oftmals, daß sie häufig nicht als „eigenständig“, im Sinne eines regionalen Charakters, anerkannt wurden. Weinkritiker verglichen sie immer wieder mit dem vermeintlichen Original und dann kamen sie häufig ganz unverdient in die Geschmacksschubladen „Kalifornien“, „Frankreich“, „Neuseeland“ etc. Jeder, der sich aber intensiv mit diesen Weinen auseinandergesetzt hatte, konnte hinter der sortentypischen Fassade ihre „spanische“ Eigenart ohne Schwierigkeit entdecken. Die Liebe mancher Winzer für ausländische Rebsorten, rote und weiße, führte sogar dazu, daß Spanien immer wieder als „die Neue Welt Europas“ bezeichnet wurde.

Der Erfolg der oben beschriebenen Weißweine bewirkte, daß eine Gegenbewegung einsetzte und man sich auch wieder auf die eigene Weinkultur besann und viel Kraft und Anstrengung in die Wiederentdeckung und Pflege autochthoner, weißer Rebsorten investierte. Welche Qualität und Orginalität dabei herauskommen kann, haben die galicischen „Rias Baixas“ mit ihrem Albariño und das kastilische „Rueda“ mit seinem Verdejo bereits vor vielen Jahren gezeigt. Im Bereich mit der garantierten Herkunfsbezeichnung (Denominación de Origen = D.O.) „Valdeorras“ ist der weiße Godello wiederentdeckt worden und in der D.O. „Ribeiro“ sind es die ausserordentlich aromatischen weißen Treixadura- und Torrontés-Trauben, die die Basis einiger sehr attraktiver Weine darstellen. Der gute alte Macabeo wurde ebenso wie die katalanischen Sorten Parrellada und Xarello durch moderne Vinifikation in neue Höhen katapultiert. Nicht zu vergessen auch der charaktervolle Moscatel, die mediterrane Süßweintraube par excellene. Die mallorquinische Prensal blanc lieferte ebenso wie der Klassiker Malvasía auf den Kanaren und anderswo frische, aromatische Weine. Schliesslich sei noch der Garnacha blanca erwähnt, der – analog seiner roten Variante – durchaus Potenzial besitzt. Wie in Spanien traditionell üblich, werden auch viele Weißweine nicht sortenrein sondern als Cuvée ausgebaut. Von besonderem Charme können dabei Coupagen aus einheimischen und ausländischen Rebsorten sein. Im Lande selbst ist man stolz auf das Erreichte und hat einige der neuen Weißen zu „Kultweinen“ hochstilisiert. Die Szene in Madrid und Barcelona schlürft sie zu den geschmackvollen Meeresfrüchten aus Spaniens kühlen Atlantikgewässern und die Journalisten im Lande schreiben über sie. Die Kellereien sorgen indes mit kleinen Auflagen dafür, daß die Produkte auch entsprechend rar und exklusiv bleiben.

Auch in den Exportmärkten scheinen sich spanische Weißweine als eine fixe Größe zu etablieren. Nach den Zahlen der „Federación Española del Vino“ hat sich in den beiden Jahren 2004 und 2005 der Export von Weißweinen mit garantierter Herkunftsbezeichnung (D.O. = Denominación de origen) vom Volumen her fast verdoppelt. Beinahe ein Viertel (24.4 %) der im Jahr 2005 exportiereten D.O.-Weine waren Weißweine. Bei den abgefüllten Tafel- und Landweinen finden sich ganz ähnliche Verhältnisse. Bedenkt man, daß Deutschland mit 20 % des Gesamtexports der weltweit größte Konsument spanischer Weine ausserhalb des Mutterlandes ist, ergibt sich aus den vorliegenden Daten, daß das Marktpotenzial für spanische Weißweine in Deutschland sehr groß sein muß, was übrigens auch von sehr vielen Händlern bestätigt wird.

Aus der Vielfalt der weißen Rebsorten in Spanien sollen einige besonders markante ausgesucht und näher beschrieben werden. Zu den qualitativ wichtigsten weißen Sorten in Spanien gehört zweifellos der Albariño. Er ist Galiciens weiße Edeltraube, der eine gewisse Verwandschaft mit dem Riesling nachgesagt wird. Der Name wird gelegentlich von „alba del Rhin“, der „Weißen vom Rhein“, abgeleitet, denn ein Benidiktinermönch aus dem Rheinland soll unter seiner Kutte die Reiser auf seiner Pilgerfahrt entlang des Jakobsweges nach Galicien gebracht haben. Ampelographisch spricht jedoch nichts für eine Verwandschaft mit dem Riesling. Manche galicischen Weinmacher vertreten die Ansicht, daß der Albariño mit dem Sauvignon Blanc oder dem Pinot Blanc (Weißburgunder) verwandt sei. Die organoleptischen Eigenschaften der Rebsorte und ihrer Weine scheinen dies allerdings nicht zu bestätigen. Das vom Atlantik geprägte Klima in dem der Albariño gedeiht, hat natürlich schon einiges mit dem der Heimat des Riesling gemein: feucht und im Verhältnis zu anderen spanischen Regionen deutlich geringere Sonneneinstrahlung. Deshalb werden die Rebstöcke auch hochgezogen damit die Trauben möglichst weit vom feuchten Boden reifen und der maximal möglichen Sonnenbestrahlung ausgesetzt sind. Dieser sogenannte „Pergolabau“ findet in Galicien in allen nur denkbaren Variationen Anwendung. Gelegentlich sieht man noch die alten, mit Drähten überspannten, etwa 1,50 bis 2 Meter hohen Kastanienholzpfeiler an denen sich die Reben entlangranken, heute sind es meist Granitpfeiler. Die Erziehung der Rebstöcke an der Pergola wurde einst als so essentiell angesehen, daß es in Galicien ein Sprichwort gab, das lautete: „quien no tiene madera, no tiene viña“, was bedeutet, daß derjenige, der kein Holz für die Pergola zur Verfügung hat auch keinen Rebgarten haben kann.

Obwohl der Albariño im ganzen Nordwesten der Iberischen Halbinsel vertreten ist, gab es schon immer Regionen, in denen das Terroir besonders günstig für diese Rebsorte war. Drei dieser Bezirke, O Rosal, Condado do Tea und das Val do Salnés, wurden im Jahr 1988 zur garantierten Herkunftsbezeichnung „Rias Baixas“ zusammengefasst. Später kamen noch die Regionen Soutomaior und Ribera del Ulla hinzu. Nicht immer wird dort der Albariño sortenrein ausgebaut. Coupagen mit den autochthonen weißen Sorten Treixadura, Loureira und Caiño Blanco können sehr attraktiv sein. Gesetzliche Voraussetzung in allen fünf Unterregionen ist allerdings, daß der Albariñoanteil eines Weins mindestens 70 % betragen muß. Die besondere Lage der „Rias Baixas“ hat einen ganz profunden Einfluss auf den Charakter des Weines; er ist sehr aromatisch mit feinen floralen Duftnoten, hat zarte Säure und meist auch einen festen Körper, der manchmal sogar den Barriqueausbau gut verträgt. Trotz allem zeigen die Weine immer große Eleganz. Die Geschmacksnuancen bewegen sich oft zwischen reifen Äpfeln und tropischen Früchten. Das gilt auch für die neuesten Schöpfungen der Region, den s.g. „Vendimias tradías“ (wörtlich übersetzt: Spätlesen). Diese Weine sind vergleichbar mit deutschen Auslesen, sie verfügen über eine zarte Restsüsse und vielfach eine enorme Aromenvielfalt in der sich Rosen und Lorbeer, ebenso wie Quitte und Ananas wiederfinden. Hervorragende Beispiele dieses Weintyps sind der Martín Codax Gallaecia und der Vendimia Tardía des Pazo de Barrantes.

Dem Albariño wird nachgesagt sie sei eine oxydationsanfällige Rebsorte, die man so schnell wie möglich nach der Abfüllung konsumieren sollte um in den Genuß der Frische zu kommen. An dieser Feststellung ist etwas Wahres dran, aber eben nicht immer. Langsame Reifung in Edelstahltanks über drei Jahre, wie bei der Selección des Pazo de Señorans oder vorsichtige Vergärung im Barrique, wie etwa beim Etiqueta Negra des Terras Gauda oder dem Albariño de Fefiñanes der Bodegas del Palacio de Fefiñanes, erhalten Frucht und Frische des Weins und geben ihm zusätzliche komplexe Noten, die eine neue Geschmacksdimension erschliessen.

Auch in anderen Regionen des Iberischen Nordwesten gibt es den Albariño. Am bedeutendsten ist dabei wohl der „Vinho Verde“ aus Portugal, in dem der Albariño unter anderen Rebsorten ebenso vorhanden ist. Sein Anbau- und Herstellungsgebiet beginnt jenseits des Grenzflusses Miño und reicht fast bis zur Hafenstadt Oporto. Etwas mehr im Landesinneren, im Nordosten der galicischen Stadt Ourense, erstreckt sich entlang des Rio Sil das Weinbaugebiet von Ribeira Sacra. Dort werden rote und weiße Rebsorten angebaut. Unter den weißen spielt der Albariño eine gewisse Rolle, aber fast immer wird er in Coupagen mit dem charaktervollen Godello verwandt. Ahnliches gilt auch für die galicische D.O. Ribeiro. Nur kleine Anteile des Albariño kommen hier in die Cuvées.

Ebenfalls in Galicien beheimatet ist der weiße Godello. Seine Herkunft liegt tatsächlich an den Ufern des Rio Sil. Von dort ist sie auch ins benachbarte Bierzo gekommen. In der D.O. Valdeorras, der ältesten D.O. der Region Galicien, liegt ihr heutiges Hauptanbaugebiet.Hier vermischen sich atlantische und kontinentale Klimaeinflüsse und sorgen für erhebliche tages- und jahreszeitliche Temperaturschwankungen. Der Godello mag dieses Klima, er ist eine ausgesprochen frühreife Sorte und zeichnet sich durch einen hohen Zucker- und Säuregehalt aus, was körperreiche Weine ergibt, die sich auch hervorragend für den Barriqueausbau eignen. Seine große Qualität war eigentlich schon immer bekannt aber erst José Hidalgo, heute Chef der Bodegas Bilbainas in der Rioja, hat Am Beginn der 90-iger Jahre des 20. Jahrhunderts als Berater für Die Bodega Finca La Tapada den Durchbruch für den Godello erzielt. Unter dem Namen Guitian, brachte er einen jungen und einen barrique-vergorenen, reinsortigen Godello auf den Markt. Die Qualität dieses Gespanns begeisterte die Weinfreunde in In- und im Ausland. Valdeorras hatte Anschluß an die moderne Weinkultur Spaniens gefunden. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Kellereien, die ganz hervorragende Weißweine aus dem Godello keltern. Unter Ihnen findet sich auch der unermüdliche Telmo Rodríguez, dem mit seinem Gaba do Xil ein kraftvoller, aromatischer und sehr ausgeglichener Godello gelungen ist. Einer der komplexesten, modernen Weißweine Spaniens ist der neue Guitian Sobre Lías, ebenfalls von der Finca La Tapada ein Godello der nach der Gärung noch einige Zeit auf den Hefen lag und dadurch eine wunderbar cremige Struktur bekommen hat.

Als man Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts in der Rioja über moderne Weißweine nachzudenken begann, kam eine der ältesten Bodegas dort, die Herederos de Marqués de Riscal, die bis dato keine Weißweintradition hatte, zu der Überzeugung, daß die Rioja-eigene Viura-Traube, eine synonyme Bezeichnung für den Macabeo, für die Herstellung junger Weißweine eigentlich nicht optimal war. Daher suchte man nach Alternativen. Tatsache war aber damals, daß in anderen Kellereien der Rioja bereits sehr gute moderne Weißweine aus dem Viura produziert wurden und vermutlich wollte man sich nicht unbedingt der bereits sehr erfolgreichen Konkurrenz stellen. Wie auch immer, die gesuchte Alternative zur Rioja fand man im etwa 200 Kilometer südwestlich gelegenen Rueda. Die Önologen von Riscal, denen der legendäre Emile Peynaud von der Universität Bordeaux zur Seite stand, glaubten, daß der Verdejo, der sich als gebietstypische Rebe in Rueda erhalten hatte, ideale Voraussetzungen für die gewünschten Weißweine bot. 1972 entstand im damals verschlafenen Örtchen Rueda eine mit allen technischen Finessen ausgerüstete Kellerei namens Vinos Blancos de Castilla. Francisco Hurtado de Amézaga, ein direkter Nachfahre des Marques de Riscal aus Elciego in der Rioja, übernahm die Leitung des Betriebes. Was in diesen Tagen eher wie die Masche eines Querdenkers erschien, wurde schliesslich zu einer Erfolgsstory sondergleichen.
Ein Stern war aufgegangen und mittlerweile ist der Verdejo der unbestrittene weiße König von Rueda, und manch ein Weinfreund würde sagen, sogar von ganz Spanien.

Das Vorhandensein des Verdejo in Kastilien wurde erstmals im 15. Jahrhundert dokumentiert und es wird angenommen, daß mozarabische Landarbeiter die Rebe aus dem Norden Afrikas mitgebracht haben. Eine geschickte Politik, die die Bepflanzung der Rebgärten mit anderen Sorten nur erlaubte, wenn bereits mehr als 50 % Verdejo vorhanden war, sorgte für die rasche Ausbreitung dieser überaus charaktervollen Sorte. Eine der großen „Schwächen“ des Verdejo war sein eher zartes, verhaltenes Bukett. Zwar fanden sich gelegentlich wundervolle Düfte einer blühenden Sommerwiese, aber beeindruckend war es eher selten. Dies war der Grund warum einige Kellereien nach einer zweiten Rebsorte suchten, die dem Verdejo einen „olfaktorischen Kick“ geben sollte. Die in Rueda ebenfalls zugelassenen Sorten Palomino und Viura waren dazu nicht geeignet. Der aromatische Sauvignon Blanc hat diese Forderung schliesslich erfüllt und wird mittlerweile mit viel Erfolg sogar reinsortig ausgebaut. Allerdings beträgt die Rebfläche des Sauvignon Blanc noch deutlich unter 10 % der gesamten Fläche weißer Reben im D.O.-Gebiet.

Aber es war letztlich nicht der Sauvignon Blanc, der den heutigen Verdejo-Weinen ihr unverkennbares, überströmend fruchtiges Aroma verlieh, sondern eine recht einfache technische Neuerung: die Methode des Kaltmaischens. Sie beinhaltet, daß unter strikter Temperaturkontrolle, und bevor die Gärung einsetzt, die Traubenschalen für einige Stunden im Most verbleiben. Dadurch treten aus den Schalen zusätzliche Aromastoffe aus und sorgen für das intensive Bukett des späteren Weins. Wieder waren es die Önologen von Riscal, die hier Pionierarbeit geleistet haben. Heute benutzen diese ursprünglich in Frankreich entwickelte Technik fast alle großen Kellereien in Rueda. Weiterere technische Fortschritte wurden auch bei der Temperaturkontrolle der Gärung erzielt. Durch Kühlplatten, die in die Gärtanks eingeführt werden, liess sich eine gleichmässig niedrige Temperatur im gesamten Tank erreichen. Die Konsequenz war eine erheblich verlangsamte Gärung. Flüchtige Aromastoffe blieben im Wein, dessen Bukett dadurch zusätzliche Komplexität gewann. Prototypen dieser aromatischen Jungweine sind neben dem Marqués de Riscal Rueda der Mantel Blanco Verdejo, der Palacio de Bornos Verdejo und der José Pariente von Victoria Pariente und Victoria Benavides (Dos Victorias)

Schliesslich wurde in Rueda in den letzten Jahren auch viel mit der Faßgärung experimentiert. Hierbei hat man sich an die Erfahrungen, die verschiedene Kellereien in der Rioja mit dieser Methode gemacht haben, gehalten. Die Moste werden in neuen Barriques vergoren und dann einige Monate dort, unter ständiger Bewegung des Weins („bâtonnage“) auf den Hefen belassen. Die neuen bukett- und körperreichen Verdejo-Weine erhalten durch dieses Gärverfahren zusätzliche Qualitäten.. Wegen der relativen Oxydationsanfälligkeit des Verdejo muß bei der Faßgärung alles darangesetzt werden jeden Sauerstoffkontakt zu vermeiden und dies gehört dann schon zur höheren Kunst des Weinmachens. Was für großartige Schöpfungen dabei herauskommen können zeigen u.a. die Weine von Antonio Sanz (Palacio de Bornos) bzw. von Didier Belondrade (Belondrade y Lurton).

Der Sauvignon Blanc, dem ursprünglich nur eine Nebenrolle in Rueda zugedacht war, hat in den letzten Jahren dort ebenfalls eine großartige Entwicklung durchgemacht. Überraschenderweise schienen das Klima und die kargen Böden Altkastiliens wie gemacht für den diese Rebsorte, deren Heimat das Loire-Tal ist und der sich in den letzten Jahren mit Riesenerfolg die Neue Welt (Südafrika, Neuseeland, Australien, Californien) erobert hat. In Spanien findet er sich nicht nur in den Rebgärten Ruedas sondern auch in denen des Penedés, wo Altmeister und Internationalist Miguel Torres mit dem barriqueausgebauten Fransola ein sortentypisches Meisterwerk geglückt ist.

Die dritte große Spanierin unter den Trauben ist der Macabeo. Er ist die in Nordspanien am häufigsten angebaute Sorte zu zählt zum Rebsorten-Triumvirat des spanischen Schaumweins Cava (neben Parellada und Xarrello). Über die Pyrenäen ist er ins Roussilon und ins Langedoc gekommen, wo er heute ebenfalls zu den meistangebauten Sorten gehört. Sein Ursprung liegt vermutlich irgentwo in Kleinasien, in Spanien ist er, aufgrund seiner relativen Unempfindlichkeit gegenüber Hitze und Trockenheit, seit Urzeiten heimisch. Die große Beliebtheit dieser Sorte liegt ausserdem im späten Austrieb, der in den nördlichen, frostgefährdeten Gegenden ein Erfrieren der Triebe erschwert, in der geringen Oxydationsbereitschaft der Moste und in ihrer enormen Fruchtbarkeit. Damit kontrastiert die relativ große Empfindlichkeit gegenüber dem falschen Mehltau und der Graufäule.. Die Trauben haben eine blass-gelbe Farbe, sind zuckerreich und liefern fruchtige Jungweine mit feinen floralen und Zitrusaromen und, sehr abhängig von Lesezeitpunkt, ausgeglichener Säure. Der Mangel an Säure kann für sehr reif gelesenen Macabeo ein Problem werden. Er hat dann zwar eine ausgeprägte Aromatik, kann aber etwas fett und plump wirken. Gelegentlich ist eine Ansäuerung, wie sie in Spanien grundsätzlich erlaubt ist, erforderlich.

Der Macabeo hat auch andere Namen: manchmal nennt man ihn „Alcañol“ oder „Alcañón“ und in der Rioja ist er die wichtigste weiße Sorte, die als Viura in fast allen Weißweinen dieser Region mittlerweile als Hauptsorte vorhanden ist. Die Freunde der alten faßgereiften, weißen Riojaweine verdammen den Viura, den er war für die tiefgreifende Veränderung des Weißweinstils in der Rioja mitverantwortlich. Die frühe Trinkreife und betonte Frucht der „modernen“ Viura haben den großartigen Malvasía und den Garnacha Blanca, beides sehr charaktervolle aber leider sehr oxydationsempfindliche und ertragsarme Sorten, aus der Rioja fast vertrieben. Der Erfolg des Macabeo im Ebrotal hat vieleWinzer in La Mancha und der Extremadura veranlasst ihre eher langweiligen weißen Sorten wie Airén und Pardilla durch den Macabeo zu ersetzen. Heute sind etwas über 46 Tds Hektar in ganz Spanien mit Macabeo bestockt. Häufig wird der Macabeo auch mit anderen weißen Sorten verschnitten. Eine sehr beliebte Kombination, insbesondere in Katalonien und in der Mancha, ist die mit dem Chardonnay. In der Rioja beginnt man auch wieder zaghaft kleine Mengen Malvasía dazuzugeben.

Eine Entwicklung, die ganz neue Qualitäten des Macabeo erschlossen hat ist die Vergärung der Moste in neuen Barriques aus amerikanischer oder französischer Eiche. In der Rioja wurde dadurch ein neuer Weintyp geschaffen, der dem Viura ausserordentlich gerecht wird. Der Holzkontakt in Gegenwart von Hefen bewirkt biochemische Reaktionen, die die Aggressivität des Holzgeschmacks abmildern helfen. Weiterhin bilden sich komplexe Zuckermoleküle, die dem Wein Volumen, zusätzlichen Geschmack und eine cremige Struktur verleihen. Relativ spät gelesenes und der Kaltmischung unterzogenes Lesegut eignet sich besonders für die Barriquevergärung. Großartige Vertreter dieser neuen Richtung sind der Muga Blanco fermentado en barrica und der Allende Blanco fermentado en barrica.

Nicht spezifisch spanisch, aber ausgesprochen mediterran ist eine der ältesten vitis vinifera-Sorten, der Moscatel. In nördlichen Gefilden Europas ist er unter dem Namen Muskateller vorwiegend, aber nicht ausschliesslich, als Esstraube bekannt. Es gibt über 200 Varianten, in Spanien liefert der Moscatel de Grano Menudo (franz: Muscat Blanc à Petits Grains), die feinsten Weine. Er hat kleine, runde Beeren und ist aufgrund seines hohen Zuckergehaltes anfällig für allerlei Ungeziefer (sein Name soll sich ja von Mosca = Mücke, die eine besondere Vorliebe für seinen süßen Most hat, ableiten). Das trocken-heiße Klima Spaniens erschwert den Insekten ihr Leben im Rebgarten erheblich und so hat der Moscatel in diesem Land seit langem eine traditionelle Heimat. Die Aromatik der Moscatel-Weine reicht von Grapefruit- und Orangennoten zu Rosen- und Moschustönen und die besten aus Navarra oder Alicante zeigen neben ihrer Aromenfülle ein perfektes Verhältnis von feiner Süße zu Säure. Sie gehören zu den großen Süßweinen der Welt. Zwei bemerkenswerte Vertreter dieses Weintyps sind der Chivite Colección 125 Vendimia Tardía von Julián Chivite (D.O. Navarra) und der Casta Diva Cosecha Miel Dulce von Gutiérrez de la Vega (D.O. Alicante)

In einer Beschreibung der wichtigsten weißen Rebsorten Spaniens darf, allein schon aus quantitativer Sicht, der Airén nicht fehlen. Etwa 400.000 Hektar sind mit ihm bepflanzt. In anderen Worten auf 30 % der spanischen Rebgärten stehen Airén-Stöcke mit einer eindeutigen Konzentration in der Mancha. Das erste schriftliche Dokument, das auf die Existenz dieser Sorte weist, ist das Buch „Tratado sobre Agricultura General“ (Abhandlung über die Landwirtschaft) aus dem Jahr 1513 von Alfonso de Herrera. Ihre enorme Popularität verdankt sie ihren besonderen Eigenschaften: hohe Resistenz gegen Krankheiten, große Fruchtbarkeit und geringe Empfindlichkeit für Trockenheit und Hitze. Die Weine sind bei moderner Vinifikation bestenfalls gute weiße Alltagsweine. Der Airén hat viele Gemeinsamkeiten mit dem französischen Ugni Blanc (bzw. dem italienischen Trebbiano). Auch diese Sorte ist die meistangebaute weiße in ihrem Land. Ein großer Teil der Ugni Blanc-Weine wird destilliert und dient als Basis für den Cognac. Ähnlich beim Airén: sein Destillat, die berühmten „holandas“, sind der Ausgangspunkt für den Brandy de Jerez, das spanische Äquivalent des Cognacs.

Zu Schluß noch einige Worte zu den vielen Weißweinen, die in Spanien nicht in einer Region mit garantierter Herkunftbezeichnung wachsen, den „vinos de la tierra“. Etwa die Hälfte aller in Spanien produzierten Weine fallen in diese Kategorie, die damit zu einem wichtigen Zweig der Weinwirtschaft des Landes geworden ist. Auf manchen dieser Flaschen endeckt man die magisch anmutende Buchstabenkombination „vcprd“, diese bedeutet „vino de calidad producido en una región determinada“ (in einer umschriebenen Region hergestellter Qualitätwein). Diese Bezeichnung ist nach dem neuen Weingesetz die Vorstufe zur Denominación de origen (=D.O.). Mindestens fünf Jahre muß die Region allerdings in diesem Status verharren, bevor das begehrte D.O.-Prädikat vergeben werden darf. Einige Weinmacher haben allerdings keinerlei Ambitionen auf diese höheren Weihen, denn als „Vino de la tierra“ haben sie wesentlich mehr Freiheiten beim Weinmachen und viel weniger lästige Bürokratie. Die Zeiten in denen für Konsumenten die D.O.-Zugehörigkeit eines Weingutes ein Qualitätskriterium war, sind längst vorbei. Manche „vinos de la tierra“ haben mehr Kritikerpunkte eingeheimst als vergleichbare D.O.-Weine. Hervorragende Beispiele dafür sind z.B. Die Venta d´Aubert (V.T. Bajo Aragón) in der Provinz Teruel und der Pago de Vallegarcía (V.T. Castilla) in der Provinz Ciudad Real. Beide Kellereien haben sich übrigens mit großem Erfolg der Rebsorte Viognier verschrieben. Dehesa de Carrizal, Bodegas Ercavio und Martúe (alle V.T. Castilla) sind andere hervorragende Beispiele, die gute Weißweine produzieren. Auch das große Weißweinphänomen Barbadillo gehört in diese Gruppe. Die berühmte Manzanilla-Kellerei in Sanlucar de Barrameda, stellt einen jungen Weißwein namens Castillo de San Diego (V.T. Cádiz) her, der angeblich der meistverkaufte Spaniens ist. Er wird aus der Sherrytraube „Palomino fino“ gekeltert und ist, insbesondere im andalusischen Sommer, ein einigermaßen akzeptabler weißer Alltagswein.

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