Das Bierzo

Das Weinbaugebiet „Bierzo“ erstreckt sich auf einer Fläche von etwa 3.800 Hektar entlang der Flüsse Sil, Ancares und Burbia. Zentrum der Region, in der der Kohle- und Schieferbergbau neben der Wein- und Landwirtschaft die Haupteinnahmequellen sind, ist die Stadt Ponferrada. Sie ist mit ihren grauen Schieferdächern eher unscheinbar und vermittelt, trotz einiger kulturhistorisch interessanter Bauwerke, wie der Ruine der alten Tempelritterburg, den Eindruck einer mittel-englischen Industriestadt.

Bei der Bezeichnung „Bierzo“ hat man auf den Artikel „El“ verzichtet, da – ähnlich wie bei „La Rioja“ – das Weinbaugebiet nicht absolut identisch mit der historisch gewachsenen, und mit „El Bierzo“ bezeichneten, Region ist. Die junge Geschichte der kontrollierten Herkunftsbezeichnung darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Bierzo als Weinregion auf eine lange Tradition zurückblickt. Ein deutscher Bettelmönch namens Hermann Küning aus dem Orden der Serviten – der Diener Mariens – erwähnte das Bierzo und dessen Weine bereits 1496 in seinem Bericht „Reise entlang des Jakobweges“. Vom Bierzo sagt er: „Hast gute Leut‘, die Dir die Reise leicht machen und Dich freimütig mit Wein und Brot versorgen“. Im Gegensatz zu den kargen Bergen, die das Bierzo umgeben, mussten die Üppigkeit der Vegetation mit ihren Korkeichen, Akazien, Kastanien und grünen Wiesen die Pilger an ihre nördliche Heimat erinnert haben, und viele von ihnen haben sich dort schliesslich niedergelassen, wovon noch manches Bauwerk Zeugnis ablegt.

Die Rebgärten befinden sich, meist terrassenförmig angelegt, auf den Hügeln entlang der erwähnten Flüsse in einer Höhe zwischen 450 und 1.000 Metern über dem Meeresspiegel. Gelegentlich erinnert die Landschaft am Rio Sil an die Steillagen von Rhein und Mosel. Die ocker- bis rotgetönten Böden des Reblandes bestehen weitgehend aus Schwemmland, wobei in manchen Bezirken Lehm und in anderen Granitsand überwiegen. Das Klima ist mild und ausgeglichen. Die kantabrischen Berge im Nordwesten schützen die Region vor zu viel atlantischem Regen. Demgegenüber stellen die Leoneser Berge im Südosten eine gewisse Barriere für die sommerlich heissen Südwinde aus dem kastilischen Hochland dar. Die Luftfeuchtigkeit ist meist relativ hoch, die mittlere jährliche Niederschlagsmenge liegt bei etwa 700 Millimeter, und mit 2700 Stunden Sonnenschein im Jahr sowie einem geringen Frostrisiko herrschen im Bierzo gute Bedingungen für den Weinbau.

Der wirkliche Schatz von Bierzo ist seine charaktervolle rote Rebsorte Mencía. Sie ist eine relativ dunkelfarbige Traube mit geringem Ertrag, verfügt über feine Säure sowie viel Tannine und liefert meist feingliedrige und fruchtige Weine. Ihre Verwandtschaft mit dem Cabernet Franc wurde immer wieder behauptet, aber nie wirklich bewiesen. Viele der klassischen Rotweine aus dem Bierzo erinnern aber tatsächlich an den roten Chinon: sie sind elegant, fein, ausgeglichen und am besten jung zu trinken. Es ist durchaus denkbar, daß der Mencía einst von Pilgern aus dem Loire-Tal entlang des Jakobweges ins Bierzo gebracht wurde. Ob es sich nun um eine genetische Variation oder um ein besonderes „terroir“ handelt, was die modernen Mencía-Weine häufig so ganz anders macht, ist schwer zu entscheiden. Protagonisten des modernen Stils, wie z.B. die „Decendientes de J. Palacios“ in Villafranca, bringen eine immense Konzentration, intensive Beerenfruchtaromen, eine ausgeglichene Struktur und die perfekten Voraussetzungen für den Barriqueausbau in ihre Weine. Ricardo Perez und sein Onkel Álvaro Palacios, der Starweinmacher aus dem Priorat, haben das Geheimnis des Mencía entdeckt: die alten Rebstöcke. In den Steillagen um das Dorf Corullón bewirtschaften sie bis zu 100 Jahre alte Rebanlagen, in denen der klassische Mischsatz aus weißen und roten Trauben in althergebrachter Buscherziehung wächst. Dabei interessiert dann natürlich nur der Mencía. Nicht ganz so aufwendig, aber dennoch von vergleichbarem Stil und Qualität sind die modernen Weine der Bodegas Pittacum, Estefanía, Luna Beberide, und Dominio de Tares aber auch Traditionalisten wie die Bodega la Serrana im kleinen Ort Villadecanes verfügen über Rebstöcke aus Großvaters Zeiten und machen entsprechend dichte, charaktervolle Kreszenzen. Wie überall experimentiert man auch im Bierzo mit Rebsorten wie Tempranillo, Cabernet Sauvignon und Merlot. Auch Weißweine werden gelegentlich gekeltert, wobei man versucht die alte, regionaltypische Rebsorte Godello wieder zu beleben. Die Zukunft dieses kleinen Weinbaugebietes am Westrand Kastiliens liegt aber, darin sind sich alle Kenner der Szene einig, in den Mencía-Rotweinen.

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