Ein Erlebnis: Wein und Musik

Vor ein paar Tagen tönte aus den Lautsprechern der heimischen Stereo-Anlage das Piano Alfred Brendels und die wunderbaren, impressionistischen Klänge der „Zypressen der Villa d´Este“ von Franz Liszt. Neben mir funkelte es rubinrot im Glase und der Duft von Zimt und Waldbeeren des „Clos Martinet 2001“ stieg aus dem Glase empor. Die gleichzeitige Anspannung des Gehörs und des Geruch- bzw. Geschmacksinns machte mir plötzlich klar: Wein und Musik gehören zusammen! Es gibt einen mystischen Zusammenhang von Wein und Musik. Manchmal scheint es als beschrieben Töne auf eine magische Weise den Wein. Oder umgekehrt: das Geruchs- und Geschmackserlebnis des Weins macht die Musik erst richtig verständlich, bzw. rückt sie in eine andere sinnliche Dimension. Diese Art von Erlebnisse haben meine Phantasie schon oft beflügelt und zum Nachdenken über die Natur der Beziehung von Wein und Musik angeregt.

Der Komponist formt die Töne aus seiner Phantasie und die Syntese von Imagination sowie musikalisch-technischem Können ist die Grundlage seiner Tonkunst. Danach bedarf es des Interpreten, der das Werk vermittelt und anderen Menschen zugängig macht. Auch der Weinmacher ist in einem ähnlichen Sinne gelegentlich ein Künstler. Allerdings ist beim Wein die Natur der Komponist. Sie legt – manchmal auch mit Hilfe des Winzers – die Bedingungen während des Wachstumszyklus der Reben fest. Die Charakteristika der Sorte und das sogenannte „Terroir“ sind die Grundlagen die dem Weinmacher gleichsam als Töne zur Verfügung stehen und die er dann im Wein vermitteln und Geniessern zugängig machen muß.

Neben dem Olivenöl und dem Brot gehört der Wein zu den geheiligten Nahrungsmitteln der mediterranen Kultur. Ihm waren Gottheiten gewidmet zu deren Tempelfeiern immer Musik gespielt wurde. Auf den großen Dionysos-Festen im antiken Griechenland erklangen die Leiern und Auloien, jene klarinettenartigen Doppelrohrinstrumente, deren Bläser auf attischen Vasen häufig dargestellt wurden. Später, in Rom, begleiteten Tamburine, Becken und Pauken die berühmt-berüchtigten Bacchanalien. Wie ich schon angedeutet habe, gab es den Tanz und Gesang der Bacchantinnen – in etwas abgewandelter Form – sogar noch im moslemischen al-Andalus. Die erwähnten Sängerinnen des Ibn al-Kattani begleiteten den offiziell verbotenen Weingenuß in seinem Palast. Weinlieder haben im Übrigen über viele Jahrhunderte und in vielen Kulturen versucht die unseligen Folgen des übermässigen Weintrinkens zu entschuldigen bzw. häufig auch zu verharmlosen.

Ausser der Verbindung von Musik und Wein, als Ausdruck einer ungehemmten Lebensfreude, gibt es aber noch jene mystische Stufe des Genusses beider. Ich meine die oben erwähnten emotionalen Assoziationen von Wein und Musik. Als eines unter vielen anderen Beispielen für die sinnlichen Beziehungen, von denen ich spreche, sei die berühmte Champagner-Arie des Don Giovanni genannt. Die übersprudelnde Musik Mozarts führt nicht nur lautmalerisch die munter aufsteigenden Bläschen im Glas vor Augen sondern hinterlässt unwillkürlich auch den fruchtig-prickelnden Geschmack eines „Dom Perignon“ oder einer „Grande Dame“ auf der Zunge. Die tiefe Heiterkeit und die filigrane Struktur des Allegro aus Beethovens „Frühlingssonate“ lassen in meiner Nase die eleganten und zarten Duftnoten eines gut gereiften Riojas emporsteigen. Derartige Verbindungen von Musik mit Duft- bzw. Geschmackserlebnissen sind in ihrer Zahl und Intensität schier unendlich und es wundert mich eigentlich sehr, daß man nicht schon längst einen Begriff, wie z.B. „Ton-Gourmandise“ (analog zur „Lautmalerei“) dafür gefunden hat. Weinfreunde, die Freude an der Musik haben, wissen natürlich, daß etablierte Begriffe der deskriptiven Weinsprache häufig auch auf die Musik passen. Man denke nur an Eigenschaftswörter wie „ausdrucksvoll“, „elegant“, „feurig“, „gefällig“, „harmonisch“, „kräftig“, „lebendig (vivace)“, „leicht“, „markig“, „rassig“, „schwer“, „tief“, „voll“, „wuchtig“ und „zart“. Alleine der Klang dieser Worte, die eigentlich Charaktereigenschaften des Weins beschreiben sollen, ruft unweigerlich musikalische Assoziationen hervor.

Wenn es nicht gerade richtige „Weinberge“ mit entsprechenden Steillagen sind, spricht man im Weinbau ja häufig auch von „Rebgärten“. Ich finde, daß dies ist eine sehr poetische Beschreibung ist, denn der Begriff „Garten“ beinhaltet ja immer ein gestalterisches Element. Der Rebstock als künstlerisches Ausdrucksmittel in der geformten Landschaft ist ein schönes Konzept und erinnert mich an die Musik: „Noces en los Jardines de España“, Nächte in spanische Gärten, eine Komposition von Manuel de Falla. Die glühende Sinnlichkeit der Musik de Fallas steht – wie kaum eine andere – für das Feuer, die Audrucksstärke und die Rasse spanischen Rotweins.

Eine der schönsten bildlichen Darstellungen von Wein und Musik findet sich in der Madrider Thyssen-Bornemiza-Sammlung. Das Bild wurde um 1624 von dem Holländer Gerrit van Honthorst aus Utrecht gemalt. Er war ein Zeitgenosse von Velazquez und ganz unwillkürlich erkennt man eine gewisse Ähnlichkeit mit dessen Bacchus-Bild im nahegelegenen Prado. Nach allem was ich von der Biographie des Malers erfahren konnte, scheint es aber eher unwahrscheinlich, daß Honthorst Velazques bzw. seine Bilder kannte. Der Titel des Ölgemäldes heißt „Fröhlicher Violinist mit Weinglas“ und zeigt einen jungen Mann, in kostbaren Kleidern und einem von Federn besetzten Hut, der eine Violine unter seinem linken Arm hält und einen mit Wein gefüllten Nuppenbecher hoch erhoben hat. Das Thema Wein und Musik wird über die Person des Trinkers inszeniert. Das Licht spielt dabei eine zentrale Rolle. Es fällt von links in das Bild ein und beleuchtet grell Arm, Gesicht und Schulterpartie des Mannes. Er wendet sich dem Weinglas zu. Die Rötung seiner Nase und Wangen spielt auf den Weingenuß an. Der hochgehobene Pokal, auf den der Violinist in freudiger Erregung schaut, und sein Instrument auf der anderen Seite der Diagonale bilden eine nicht zu übersehende ideelle Einheit. Als Betrachter weiß ich sofort, daß der Musiker nach dem ersten Schluck das Glas abstellen und zum Spiel auf der Geige ansetzen wird. Diese Erwartung verleiht dem Bild Spannung und gibt ihm Leben.

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